Teures Schulessen Der Bund soll eingreifen
15.04.2008, 15:32 UhrBundesländer und Kommunen fordern angesichts steigender Lebensmittelkosten eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten für das Schulessen. Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa ergab, setzen sich unter anderem Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin, Niedersachsen und das Saarland dafür ein. Die Leistungen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern würden oft nicht ausreichen und Kinder von Schulmahlzeiten ausgeschlossen. Eine bundesweite Lösung sei notwendig. In den 6400 Ganztagsschulen ist die Versorgung bisher Sache von Ländern und Kommunen. Das Bundessozialministerium prüft die Vorschläge der Länder.
Union fordert Kindergelderhöhung
Die Familienpolitiker der Unionsfraktionen in Bund und Ländern haben unterdessen eine Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 2009 gefordert. "Die Preissteigerungen der letzten Jahre, insbesondere für Waren des täglichen Bedarfs, machen eine Kindergelderhöhung zwingend notwendig", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern, Harry Glawe, zum Abschluss einer Tagung der familienpolitischen Sprecher der Unionsfraktionen in den Landtagen und im Bundestag in Schwerin. Ein konkreter Betrag wurde nicht genannt. Glawe sagte jedoch: "6 Euro sind nicht spürbar". Entscheidend für die Frage der genauen Anhebung des Kindergeldes sei die Entwicklung der Inflation, hieß es.
Das Kindergeld beträgt derzeit für das erste, zweite und dritte Kind monatlich 154 Euro, für das vierte und jedes weitere Kind 179 Euro. Joachim Unterländer von der CSU-Landtagsfraktion in Bayern äußerte, Familien mit mehreren Kindern müssten in besonderer Weise berücksichtigt werden. Bei der angestrebten Kindergelderhöhung dürfe es zudem keine zeitliche Verzögerung geben. "Familien sind von den zum Teil extremen Preissteigerungen zum Beispiel bei Lebensmitteln und Energie in besonderer Weise betroffen", sagte er.
Schulessen gehört zum Existenzminimum
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte: "Hartz IV und das Sozialgeld sollen das Existenzminimum absichern, dazu zählt auch die Teilnahme am Schulmittagessen. Die jetzigen Sätze sind hierfür nicht ausreichend." Mit allen Ländern würden deshalb intensive Gespräche geführt. "Mit unserer Bundesrats-Initiative zur Novellierung der Hartz-IV-Gesetze wollen wir erreichen, dass künftig der gesamte Betrag für das Schulessen von der öffentlichen Hand übernommen wird."
Müller und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) haben das Thema Schulessen zur Chefsache erklärt. "Um dieses für die Zukunft unserer Gesellschaft wichtige soziale Problem muss sich jetzt dringend auch der Bund kümmern", forderte Rüttgers. Alle Beteiligten sollten sich bemühen, schnellstmöglich bundeseinheitliche Lösungen zu finden.
Hilfsma ßnahmen für arme Kinder
Gerade in größeren Städten gilt die Versorgung von Kindern aus armen Familien als zunehmend schwierig. In einigen Ländern und Kommunen sind nach Berichten, dass Schüler aus finanziellen Gründen dem Essen fernbleiben, Hilfsmaßnahmen vereinbart worden. So gibt es in Hessen (5 Millionen Euro für 2008), dem Saarland (1,2 Millionen), Niedersachsen (3 Millionen) und Nordrhein-Westfalen (13,5 Millionen Euo für zwei Jahre) Härtefallfonds für Schulkinder aus sozial schwachen Familien. In Nordrhein-Westfalen kommt das Programm "Kein Kind ohne Mahlzeit" rund 65.000 Kindern und Jugendlichen zu Gute.
Im Bundesvergleich ist das Schulessen in Ostdeutschland mit Preisen ab 1,30 Euro am günstigsten, in Bayern müssen bis zu 4,50 Euro pro Mahlzeit gezahlt werden. Sozialverbände, aber auch Politiker, kritisieren, dass flächendeckende Lösungen für alle Kinder fehlen. Ein Ansatz ist der Ruf nach höheren Regelsätzen für Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Kinder bekommen bisher 60 Prozent des Hartz-IV-Regelsatzes von 347 Euro, Jugendliche 80 Prozent.
Einmalzahlungen
Baden-Württembergs Sozialministerin Monika Stolz (CDU) spricht sich für die Entwicklung eines kinderspezifischen Regelsatzes aus. "Mit starren Prozentzahlen werden wir den Bedürfnissen der Kinder aber nicht gerecht", sagt sie. Im Bundesministerium heißt es, dass auch Einmalleistungen für Schulkinder statt einer generellen Anhebung des Kinder-Regelsatzes - wie einst von Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) favorisiert - geprüft würden.
In Hamburg wird 40.000 armen Kindern mit kostenlosen Mahlzeiten geholfen. Berlin ist bundesweit einer der Vorreiter, damit jedes Kind in der Schule essen kann. In der Hauptstadt müssen Eltern zwischen 23 und etwa 40 Euro im Monat bezahlen. Schulessen in Kitas und Ganztagsschulen werden stark bezuschusst, zuletzt mit 32 Millionen Euro pro Jahr. In Nürnberg können Bedürftige bald Zuschüsse für das Essen beim Jugendamt beantragen.
Lokale Initiativen
München fordert eine Hartz-IV-Erhöhung auf 410 Euro und damit auch der Kindersätze, da in Großstädten das Leben teurer sei. Neben Spendengeldern, die für ein Viertel der bedürftigen Kinder ausreichen, stellt die Stadt ausgewählten Schulen vor allem an sozialen Brennpunkten direkt Geld zur Verfügung. Damit soll gewährleistet werden, dass die Kinder zumindest eine Schulmahlzeit erhalten, sagte der Sprecher des Sozialreferats, Fabian Riedl.
Wo die Politik aufgrund finanzieller Engpässe nicht helfen kann, gibt es lokale Initiativen: Im thüringischen Mühlhausen öffnete vor wenigen Tagen eine "Tafel für Kinder". In Augsburg bezahlt die "Augsburger Allgemeine" mit Spendengeldern Mahlzeiten für arme Schüler. In Schleswig-Holstein versuchen Schulen mit Sponsorenläufen Mittel für das Schulessen einzuwerben.
Quelle: ntv.de