Politik

Koalition ist sich einig Der Streit geht weiter

Nur einen Tag, nachdem das Kabinett dem mühsam gefundenen Kompromiss zwischen Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zum Mindestlohn zugestimmt hatte, geht die Auseinandersetzung um genau dieses Thema weiter.

Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Josef Schlarmann (CDU), sagte im "Handelsblatt", die Bundesregierung habe mit ihren Mindestlohn-Plänen den "Rückfall in Planwirtschaft und Dirigismus" beschlossen. Die Gesetzentwürfe hätten negative Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt. Unions-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder räumte in der "Berliner Zeitung" ein, es gebe mit dem Wirtschaftsflügel seiner Partei noch Diskussionsbedarf. Es gehe darum, ob der Tarifvorrang noch besser abgesichert werden könne.

Nach monatelangem Ringen hatte die Bundesregierung am Mittwoch die von der Wirtschaft heftig bekämpften zwei Gesetzentwürfe zur Ausweitung von Mindestlöhnen beschlossen. Allerdings ist bislang offen, in welchen weiteren Branchen Mindestlöhne gelten sollen. Erst in letzter Minute hatte Glos auf Drängen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seinen Widerstand gegen die Vorlage von Scholz nach minimalen Änderungen aufgegeben. Damit verbucht die SPD einen Etappensieg. Weite Teile der Union lehnen jegliche Gesetzgebung zu Mindestlöhnen rundweg ab.

Mindestlohn nur bei "Auswüchsen"

Für die Zeitarbeits-Branche wird es mit der Union nach Angaben des CDU-Mittelstandspolitikers Michael Fuchs keine Mindestlohn-Regelung geben. "Das ist mit Kanzlerin Angela Merkel nicht verhandelbar", sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU- Bundestagsfraktion der "Rhein-Zeitung". In diesem Punkt seien sich der CDU-Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion der Union einig. Fuchs kann sich derzeit nur eine neue Mindestlohn-Branche vorstellen: "Bei Fleischerei-Kolonnen gibt es Auswüchse."

Das Mitglied im Sachverständigenrat, Wolfgang Franz, kritisierte den Mindestlohn-Kompromiss. "Die Bundesregierung schlägt mit den Gesetzen einen verhängnisvollen Weg ein: Die jüngsten Erfolge auf dem Arbeitsmarkt werden fahrlässig aufs Spiel gesetzt", sagte der Arbeitsmarktexperte der "Financial Times Deutschland". "Darunter werden vor allem gering qualifizierte Arbeitnehmer leiden." Branchenspezifische Mindestlöhne seien "noch schlimmer als eine flächendeckende Untergrenze".

Viel Kritik und wenig Lob

Die Bewertung des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger fiel genau entgegengesetzt aus. "Der im Kompromiss gefundene Ansatz ist richtig", sagte der Volkswirt der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Fast alle Länder in Europa hätten bereits allgemeine Mindestlöhne oder allgemeinverbindliche Tarifverträge. "Es ist gut, wenn Deutschland auch einen Schritt in diese Richtung geht." Die angestrebte branchenspezifische Lösung sei besser als der von den Gewerkschaften geforderte bundesweit einheitliche Mindestlohn.

Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB), der mit den größeren Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) konkurriert, sieht in dem Kabinettsbeschluss einen schweren Eingriff in die Tarifautonomie. "Mit den gefundenen Regelungen löst der Gesetzgeber den Verfassungsbruch nicht. Er sorgt nicht dafür, dass der Tarifvorrang geschützt sein muss", hieß es in einer Mitteilung. Die Union sei gegenüber der SPD eingeknickt. "Der CGB wird im Zuge des parlamentarischen Verfahrens alles Mögliche tun, um den Unsinn im Arbeitnehmerentsendegesetz herauszustreichen."

Unterschiedliche Lohnhöhe

Beim Entsendegesetz ging es vor allem um die Frage, welcher Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden kann, wenn mehrere Verträge mit unterschiedlicher Lohnhöhe gelten. Bei konkurrierenden Tarifverträgen kann nun einer der beiden - und zwar der mit der geringeren Tragweite - verdrängt werden. Damit soll verhindert werden, dass eine Minderheit die Mehrheit dominiert. "Widerstreitende Grundrechtsinteressen" müssen dabei allerdings zu einem "schonenden Ausgleich" gebracht werden.

Die DGB-Vize-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock kritisierte in der Oldenburger "Nordwest-Zeitung", der Kompromiss bringe nur ganz wenigen Branchen und ihren Beschäftigten wirkliche Fortschritte. Minigewerkschaften und ihre Tarifverträge seien sogar bei Lohn- und Sozialdumping praktisch geschützt. "Das macht ganz klar: Selbst bei dringend notwendigen Nachbesserungen brauchen wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nicht unter 7,50 Euro."

Quelle: ntv.de

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