Politik

Schwarz-gelbe Schuldenjongleure Der Trick "Schattenhaushalt"

Finanzielle Taschenspielertricks: Union und FDP wollen neue Schulden in sogenannten Sondervermögen verstecken, die von Kritikern als "Schattenhaushalte" kritisiert werden.

Finanzpolitik mit Schattenseiten: Sondervermögen sind versteckte Schulden.

Finanzpolitik mit Schattenseiten: Sondervermögen sind versteckte Schulden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das Dilemma von Union und FDP ist enorm: Einerseits wollen sie ihr Wahlversprechen von deutlichen Steuersenkungen halten, andererseits sind deutliche Entlastungen angesichts der leeren Kassen einfach nicht zu finanzieren. Die schwarz-gelben Finanzpolitiker standen vor der Quadratur des Kreises – die sie nun gelöst haben wollen: Ein Sonderfonds soll einen großen Teil notwendiger Ausgaben finanzieren und damit den Bundeshaushalt entlasten. Derzeit sind bis zu 60 Milliarden Euro im Gespräch.

Warum wird ein Schattenhaushalt diskutiert?

Union und FDP wollen vor allem einen Anstieg der Sozialabgaben vermeiden, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll bei drei Prozent gedeckelt werden. Das würde angesichts des zu erwartenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit aber den ohnehin überschuldeten Bundeshaushalt weiter belasten und zudem die geplanten Entlastungen für Bürger und Unternehmen gefährden. Die künftigen Koalitionäre suchen also nach einem Ausweg, sich finanzielle Spielräume zu erhalten. Reguläre neue Schulden kommen dafür nur bedingt in Frage, weil die bereits beschlossene Einführung der Schuldenbremse die öffentlichen Haushalte ab 2011 strengeren Regeln unterwirft. So darf der Bund ab 2016 pro Jahr nur noch neue Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufnehmen. Ein Sondervermögen, das vor 2011 gebildet wurde, wäre von dieser Regel nicht betroffen.

Was plant die schwarz-gelbe Koalition?

Auf der Suche nach Wegen: Kanzlerin Merkel und ihr Koalitionspartner Westerwelle wollen Steuern senken und Schulden nicht erhöhen.

Auf der Suche nach Wegen: Kanzlerin Merkel und ihr Koalitionspartner Westerwelle wollen Steuern senken und Schulden nicht erhöhen.

(Foto: REUTERS)

Diskutiert wird ein Griff in die Trickkiste: Um den Bundeshaushalt nicht weiter zu belasten, wollen Union und FDP mit Hilfe eines sogenannten Sondervermögens die Sozialkassen entlasten. Dieser von Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete "Zukunftsfonds" soll die wegen der steigenden Arbeitslosigkeit erwarteten Milliardenausfälle bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den gesetzlichen Krankenkassen finanzieren. Die schwarz-gelben Koalitionäre veranschlagen dafür offenbar 60 bis 70 Milliarden Euro , 45 Milliarden allein für die BA. Aus Sicht von Union und FDP sind diese Ausfälle eine Folge der schweren Wirtschaftskrise. Zudem könnte die Einführung dieses Sondervermögens noch zum großen Teil in einem Nachtragshaushalt in diesem Jahr verbucht und damit als "Erblast" der alten Bundesregierung zugerechnet werden: Die Schulden werden noch Peer Steinbrück in die Schuhe geschoben.

Was ist ein Sondervermögen des Bundes?

Sondervermögen dienen der Bundesregierung zur Finanzierung besonderer Aufgaben. Das besondere an diesen Töpfen ist: Sie laufen neben dem eigentlichen Etat, tauchen also nicht im jährlichen Haushalt auf und müssen auch nicht in der jährlichen Haushaltsdebatte im Parlament diskutiert werden. Von Kritikern werden Sondervermögen deshalb auch als "Schattenhaushalt" oder "Nebenhaushalt" bezeichnet. Allerdings muss der Bundestag bei Einführung eines Sondervermögens dem Gesetz zustimmen – es ist also nicht völlig der parlamentarischen Kontrolle entzogen.

Wie werden diese Sondertöpfe finanziert?

Die Bundesregierung hat zwei Möglichkeiten, das Geld für einen Sonderfonds bereitzustellen: Entweder selbst, aus dem laufenden Bundeshaushalt, oder mit Hilfe des Kapitalmarktes, wie es im Fall des Bankenrettungsfonds SoFFin geschehen. Ist das Geld einmal in diesen Nebenhaushalten untergebracht, taucht es im regulären Bundeshaushalt nicht mehr auf – die Schulden sind damit quasi verschwunden und werden bei der Neuverschuldung nicht mitgezählt. Allerdings werden sie zur Berechnung des EU-Stabilitätspaktes mit seiner Schuldenobergrenze herangezogen. Und nach ihrem Auslaugen müssen die Sondervermögen zurückgeführt werden – die Schulden werden also eines Tages fällig, wenn sie noch nicht abbezahlt sind. Die Laufzeit eines Sondervermögen hängt von dem jeweiligen Gesetz ab.

Gibt es solche Schattenhaushalte bereits?

Der Vater des Systems: Theo Waigel.

Der Vater des Systems: Theo Waigel.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Solche Sondertöpfe außerhalb des Bundeshaushalts sind seit ihrer Einführung vielmehr die Regel als die Ausnahme geworden. Begonnen hat die Kultur der "Schattenhaushalte" mit dem Sonderfonds "Deutsche Einheit", den der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel ins Leben gerufen hat. Mit ihm sollten die Kosten der Wiedervereinigung gestemmt werden. Von 1990 bis 1994 flossen umgerechnet 82,2 Milliarden Euro in die neuen Länder. 2004 wurden die restlichen Schulden des Fonds in Höhe von 38,6 Milliarden Euro in den regulären Bundeshaushalt übernommen.

Zudem gab es unter anderem einen Erblastentilgungsfonds, der die Schulden der Treuhandanstalt und der kommunalen Wohnungswirtschaft bündelte, ein Sondervermögen zur Deutschen Bahn sowie als jüngstes Beispiel der Sonderfonds zur Finanzmarktstabilisierung.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat zudem auch 2007 einen Sonderfonds zur Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung geschaffen, der bis 2015 läuft. Mit über zwei Milliarden Euro greift der Bund Ländern und Kommunen unter die Arme, um den vereinbarten Ausbau von Betreuungsplätzen bis 2013 auf 750.000 verdreifachen zu können. Die Mittel von 2,15 Milliarden Euro konnte die Große Koalition durch höhere Steuereinnahmen finanzieren, trotzdem musste Finanzminister Peer Steinbrück sich gegen Kritik der Opposition verteidigen: Die FDP etwa monierte, "Sondertöpfe" seien haushalterisch bedenklich, ihr Haushaltsexperte Otto Fricke sprach vom "falschen Weg".

Quelle: ntv.de

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