UN-Armutsgipfel "Deutsche Hilfe ist lächerlich"
20.09.2010, 15:58 Uhr
Kampf gegen Krankheiten und Hunger: Ein unterernährtes Kind in Monrovia.
(Foto: dpa)
In New York beraten Regierungen aus aller Welt über die Bekämpfung von Hungern, Armut und Krankheiten. Im Kampf gegen diese Geißeln der Menschheit sind die Staaten allerdings nicht weit vorangekommen. Insbesondere Deutschland sei überhaupt nicht vorbildhaft, monieren Kritiker.
Vor dem UN-Gipfel in New York hat die deutsche UN-Millenniumkampagne der Bundesregierung vorgeworfen, sich zu wenig gegen die weltweite Armut zu engagieren. "Deutschland verhält sich da überhaupt nicht vorbildhaft", sagte die deutsche Beauftragte Reneé Ernst dem MDR. So stecke die Bundesrepublik derzeit lediglich 0,4 Prozent des Bruttosozialprodukts in die Entwicklungshilfe. Versprochen worden seien jedoch 0,7 Prozent. Aber auch das sei "lächerlich für eine reiche Nation wie die unsrige", fügte Ernst hinzu.
Andere Staaten stockten ihren Entwicklungshilfe-Etat auf, obwohl sie ebenso stark von der Wirtschaftskrise betroffen seien. Als Beispiele nannte Ernst Großbritannien und Frankreich. Sie erinnerte daran, dass nach wie vor über eine Milliarde Menschen täglich hungrig ins Bett gingen. "Hinter all diesen Zahlen stecken Menschen, einzelne Schicksale. Und die können wir nicht aufgeben."
Auf Einladung der Vereinten Nationen wollten rund 140 Staats- und Regierungschefs in New York zusammen kommen, um über den Kampf gegen Armut und Krankheiten zu beraten. Auf dem dreitägigen Gipfel wollen Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft eine Zwischenbilanz zur Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele ziehen, die vor zehn Jahren auf einem UN-Gipfel verabschiedet worden waren. Sie sehen unter anderem bis zum Jahr 2015 eine Halbierung der Zahl der Hungernden, eine Senkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel und einen Stopp der Ausbreitung von Aids vor.
"Licht und Schatten"
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zu der Umsetzung der vereinbarten Millenniumsziele Armut: "Man muss sagen, es gibt Licht und Schatten." Asien habe gute Fortschritte gemacht. Sorgen bereite die Region der Subsahara. Sie bekannte sich zu dem Ziel der reicheren Länder wie Deutschland, bis 2015 für Entwicklungshilfe 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auszugeben. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen hätte Deutschland in diesem Jahr allerdings bereits 0,5 Prozent aufbringen müssen.
Merkel sagte: "Wir strengen uns an." Sie mahnte, die vor zehn Jahren zur Bekämpfung von Armut, Hunger und Kindersterblichkeit bis 2015 vereinbarten Entwicklungsziele dürften nicht aufgegeben werden. Merkel will aber die Hilfe für arme Länder künftig stärker an Bedingungen knüpfen als bisher. "Wir müssen die ergebnisbasierte Entwicklungshilfe in den Mittelpunkt stellen", sagte sie. Das Bekenntnis der mehr als 120 Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel zu den Zielen und der Verpflichtung der Industrieländer, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Entwicklungshilfe zu zahlen, sei wichtig. Zugleich betonte Merkel aber: "Es geht nicht nur um Geld. Es geht auch darum, was wird aus dem Geld. Es reicht nicht, eine Entwicklungshilfeindustrie zu machen, die sich immer perpetuiert." Vielmehr müsse die Eigenverantwortlichkeit der Entwicklungsländer und der einzelnen Menschen gestärkt werden. Nötig sei zudem eine gute, transparente Regierungsführung in den Empfängerländern. "Es ist ein neues Miteinander von Geber- und Nehmerländer entstanden."
UN fordern private Hilfe
Bei der Bekämpfung der weltweiten Armut will der Präsident der UN-Vollversammlung, Joseph Deiss, mehr privates Geld sehen. "Wir brauchen Unterstützer und Geber, aus dem öffentlichen und mehr aus dem privaten Sektor", sagte der Schweizer zur Eröffnung des Armutsgipfels. "Viele, viele Menschen auf der Welt setzen große Hoffnung in diesen Gipfel. Diese Hoffnung müssen wir mit Leben erfüllen. Wir wollen, wir können, wir müssen helfen." Die Staats- und Regierungschefs dürften die Welt nicht enttäuschen.
Deiss ist die nächsten zwölf Monate Präsident der Vollversammlung, die quasi das Parlament der 192 UN-Mitgliedsländer ist. Es ist der erste Schweizer in einem so hohen UN-Amt. Obwohl Genf seit Jahrzehnten nach New York und mit Wien der wichtigste Standort der Vereinten Nationen ist, war die Schweiz erst 2002 der Gemeinschaft beigetreten. Zu den größten Befürwortern hatte damals Deiss gehört.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP