Djerba-Prozess in Paris Deutsche Überlebende sagen aus
30.01.2009, 19:18 UhrIm Pariser Prozess gegen die mutmaßlichen Mitwisser des blutigen Selbstmordanschlags auf eine Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel Djerba haben erstmals deutsche Überlebende ausgesagt. Ein mittlerweile 22 Jahre alter Student schilderte den Richtern ausführlich, wie er bei dem grausamen Attentat mit insgesamt 21 Toten seine Mutter, seinen Bruder und seine Oma verlor. Er selbst leide noch heute unter den im April 2002 erlittenen Verbrennungen und Spätfolgen. "Was mich immer noch verfolgt sind häufige Alpträume, Verlustängste und Schmerzen von den Hauttransplantationen", sagte der junge Mann.
Als unvergesslich schilderte er die Bilder und Geräusche vom Tag des Anschlags. "Die Menschen schrien nach Hilfe und vor Schmerzen." Besonders schrecklich sei der Anblick der stark verbrannten Mutter gewesen. Sie habe zunächst noch gelebt und sogar noch sprechen können. Erst im Krankenhaus habe er von ihrem Tod erfahren. Bei der Explosion des Flüssiggastransporters waren 21 Menschen ums Leben gekommen, darunter 14 Deutsche. In dem Prozess in Paris müssen sich fast sieben Jahre nach dem Terroranschlag ein Deutscher und zwei mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder verantworten.
"Ich habe nichts damit zu tun"
Der aus Mülheim/Ruhr stammende Christian Ganczarski soll die Pläne von dem Anschlag am 11. April 2002 gekannt und dem Selbstmordattentäter grünes Licht für die Tat gegeben haben. Der zum Islam konvertierte Deutsche hatte kurz vor dem Anschlag einen Telefonanruf des tunesischen Selbstmordattentäters Nizar Nawar erhalten.
In Deutschland war Ganczarski zunächst ebenfalls festgenommen worden, aus Mangel an Beweisen aber wieder freigelassen worden. "Ich habe wirklich nichts mit diesem Anschlag in Djerba oder mit anderen Anschlägen zu tun", sagte der Vater von fünf Kindern am Freitagnachmittag im Prozess. Er wisse allerdings, dass seine Worte nicht helfen werden, den Zorn und den Hass der Opfer nicht lindern würden.
Vater schildert Folgen
Zuvor hatte der Vater eines inzwischen zehnjährigen Opfers aus dem westfälischen Bergkamen ausgesagt. Adrian werde bis zum Ende seines Lebens damit klarkommen müssen, manche Möglichkeiten nicht mehr zu haben, sagte der 42-Jährige. Sein Sohn habe Einschränkungen beim Schreiben und sei in ständiger psychologischer Behandlung. "Das Attentat hat auch den Wunsch nach einem zweiten Kind zerstört", sagte der Chemie-Ingenieur. "Die Betreuung kostet so viel Liebe, Kraft und Zeit, dass wir überhaupt keine Möglichkeit hätten, uns darum zu kümmern." Auch das dritte am Freitag vernommene Opfer berichtete von schweren Spätfolgen wie Schmerzen und Alpträumen.
Ganczarski droht bei einer Verurteilung im Extremfall eine lebenslange Haftstrafe. Die französische Justiz hatte die Ermittlungen aufgenommen, weil bei dem Anschlag auch zwei Franzosen starben. Der Beschuldigte wurde dann im Juni 2003 bei einer Zwischenlandung in Paris verhaftet.
Neben Ganczarski sitzt ein Bruder des tunesischen Attentäters Nizar Nawar auf der Anklagebank. Gegen den dritten Beschuldigten wird in Abwesenheit verhandelt: Der Kuwaiter Chalid Scheich Mohammed wird von den USA in Guantnamo auf Kuba gefangen gehalten, weil er auch hinter den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 stehen soll. Scheich Mohammed gilt als rechte Hand des Al-Kaida-Gründers Osama bin Laden. Der Prozess ist bis Ende nächster Woche angesetzt.
Quelle: ntv.de