Neue Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren Deutsche Unternehmen buhlen um Bewerber
03.01.2014, 18:48 UhrÄrzte, Pflegepersonal, Informatiker - Fachpersonal wird in Deutschland händeringend gesucht. Die Branchen wetteifern geradezu um Bewerber aus Rumänien und Bulgarien. Für die Länder selbst bedeutet das Fluch und Segen zugleich.
Geboten wird ein Bruttolohn von 7000 bis 7800 Euro pro Monat. Soviel verdient ein Rumäne im Durchschnitt nicht einmal im Jahr. Zur Bewerbung genüge ein rumänisch geschriebener Lebenslauf, heißt es in einem von mehr als 2000 neuen Stellenangeboten aus Deutschland auf der einschlägigen rumänischen Internetseite "tjobs.ro". Der Arbeitgeber preist sich selbst geradezu an: Es lockt "ein berühmtes Analysezentrum in einer der deutschen Großstädte", das unter anderem Blutgefäßerkrankungen behandelt.
Nach dem Wegfall der letzten Arbeitsschranken für Rumänen und Bulgaren zum 1. Januar dürfte als erstes gut ausgebildetes Personal aus diesen Ländern abwandern. Deutschland und Großbritannien suchen händeringend Ärzte und Pfleger, aber auch Informatiker und Handwerker.
Die meisten Stellenangebote auf "tjobs.ro" kommen aus dem Gesundheitssektor, so dass sich Rumänien und Bulgarien wohl noch stärker als bisher um ihre Krankenversorgung Sorgen machen sollten. Allein aus Rumänien sind in den letzten zehn Jahren nach Angaben der Bukarester Ärztekammer bereits 20.000 Mediziner ausgewandert - auf der Flucht vor Hungerlöhnen. Der Aderlass ist dramatisch spürbar.
Reisewelle bleibt bislang aus
In Rumänien mag niemand die Zahl der Auswanderungswilligen beziffern. Umfragen sprechen von etwa drei Vierteln der Menschen. In Bulgarien rechnet das Forschungsinstitut Alpha Research mit etwa 200.000 Arbeitsmigranten.
Aus Großbritannien landeten zu Jahresbeginn gleich rund 4700 Stellenangebote bei "tjobs.ro". Auf die "Horden" vom Balkan, die Londoner Politiker im Geiste anrücken sahen, sollen britische Reporter am Neujahrstag am Londoner Flughafen Heathrow aber vergeblich gewartet haben. Zwar kennen fast alle Bulgaren den bitteren Scherz, wonach es zwei Auswege aus der Misere gebe: "Terminal 1 und Terminal 2 am Flughafen Sofia". Dennoch blieb hier eine Reisewelle nach Westen aus.
Drei Millionen Rumänen im Ausland
Die bereits seit Monaten dauernden britischen Debatten hatte Rumäniens Regierung noch vor dem Jahreswechsel zu beschwichtigen versucht. Ministerpräsident Victor Ponta betonte, das Gros der auswanderungswilligen Rumänen habe das Land längst verlassen. In der Tat leben und arbeiten Schätzungen zufolge etwa drei Millionen Rumänen im Ausland, die meisten davon in Spanien und Italien.
Aus Bulgarien meldete sich dazu Außenminister Kristian Wigenin vor Weihnachten zu Wort: "Es kam zu einer unbegründeten Hysterie, und die Bulgaren sowie Rumänen wurden zum leichtesten Opfer dieser Kampagne", sagte er. Die in Deutschland stattfindende Kontroverse wurde hingegen in Bukarest und Sofia vorerst kaum wahrgenommen.
Fluch und Segen für die Länder
Bereits seit dem Jahr 2001 dürfen Rumänen und Bulgaren visumfrei in die Schengen-Zone einreisen. Seither ist die legale und illegale Arbeitsmigration explosionsartig gestiegen. Die Folge: In vielen Dörfern sind schmucke Einfamilienhäuser entstanden, finanziert vom Geld, das Migranten nach Hause schicken. Zugleich gibt es ein neues Problem. Zehntausende Kinder leben, teils traumatisiert, in Heimen, bei Verwandten oder Nachbarn, weil die Eltern im Ausland arbeiten.
Eine Minderheit unter diesen Migranten waren bisher schlecht ausgebildete Menschen, darunter auch Roma, auf der Suche nach einem besseren Leben im Westen. Einige von ihnen wurden dabei kriminell und sorgten für Schlagzeilen. Dass dies dem Image aller Rumänen und Bulgaren schade, ist in beiden Ländern ein seit dem Fall des Kommunismus im Jahr 1989 andauernder, meist rassistisch gefärbter Vorwurf.
Quelle: ntv.de, Elena Lalowa und Kathrin Lauer, dpa