Wulff spürt den Frust auf die Regierung Deutsche würden Gauck wählen
09.06.2010, 13:00 UhrEs ist zwar nur eine theoretische Frage, weil der Bundespräsident nicht vom Volk gewählt wird, eine Stimmungsanalyse ist es aber allemal: Dürften die Bürger wählen, hieße der nächste Bundespräsident Joachim Gauck. Koalitionskandidat Wulff würde dann gerne Ministerpräsident bleiben. Das wäre "nicht unehrenhaft".
Ginge es nach des Volkes Wille, wäre er der nächste Bundespräsident: Joachim Gauck.
(Foto: dpa)
Der Kandidat von SPD und Grünen für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, kommt einer Umfrage zufolge bei der Bevölkerung besser an als der Koalitions-Kandidat Christian Wulff. 42 Prozent der Bevölkerung würden nach einer Forsa-Umfrage für Gauck votieren, wenn sie den Bundespräsidenten selbst wählen könnten. Für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff würden demnach 32 Prozent stimmen.
Im Fall einer Abstimmungsniederlage würde Wulff gerne Ministerpräsident bleiben. "Es ist sehr ehrenhaft, wenn man als Ministerpräsident die Chance bekommt, Bundespräsident zu werden", sagte Wulff der Wochenzeitung "Die Zeit". "Aber es wäre auch nicht unehrenhaft, Ministerpräsident zu bleiben." Mit ihm sei auch dann weiter zu rechnen, wenn er nicht Bundespräsident werden sollte. Wulff rechtfertigte auch seine Entscheidung, bis zur Wahl am 30. Juni Ministerpräsident zu bleiben. Alles andere sähe nämlich "arrogant" aus.
Geringere Zustimmung bei der FDP
Wulff hat bei den Anhängern von CDU/CSU einen stabilen Sympathiewert von 61 Prozent, fällt aber schon bei FDP-Anhängern mit 42 Prozent Zustimmung deutlich ab. Gauck erzielt nach der vom "stern" vorab veröffentlichten Erhebung hohe Werte im rot-grünen Lager, wobei die Sympathien bei den Grünen-Anhängern mit 75 Prozent deutlich höher ausfallen als bei den SPD-Anhängern mit 58 Prozent.
Auch unter den Anhängern der Linkspartei läge Gauck mit 52 Prozent klar vor Wulff (17 Prozent), wenn diese nur die Wahl zwischen diesen beiden Kandidaten hätten. Das wird aber zumindest im ersten Wahlgang nicht der Fall sein: Die Linke nominierte am Dienstag die ehemalige Fernsehjournalistin Luc Jochimsen.
Wulff gegen eine Direktwahl
Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, nicht vom Volk direkt. Eine Direktwahl lehnt Wulff ab. "Ich bin dagegen, den Bundespräsidenten vom Volk wählen zu lassen", sagte der CDU-Politiker dem "Hamburger Abendblatt". Er begründete seine Ablehnung damit, dass das Staatsoberhaupt bei einer Direktwahl mit Erwartungen an Macht und Einfluss versehen würde, die es nicht einlösen könnte.
Gauck musste nach eigenen Worten nicht lange über seine Nominierung grübeln. "Ich durfte nicht Nein sagen. Das hätte ich nicht verantworten können", sagte der 70-Jährige dem "Stern". Der frühere DDR-Bürgerrechtler war von SPD und Grünen für die Wahl am 30. Juni aufgestellt worden, obwohl Gauck eine eher konservative Linie nachgesagt wird.
Die breite Unterstützung für Gauck erklärte Wulff mit einer grundsätzlichen Distanz der Menschen zur Politik. "Es gibt ein starkes Misstrauen gegenüber Politikerinnen und Politikern - und eine starke Sehnsucht nach Seiteneinsteigern, die unbeschadet von der Tribüne auf das Spielfeld gehen", sagte er der der Wochenzeitung "Die Zeit". Zudem bekomme er jetzt einen Teil der Kritik ab, die eigentlich der Bundesregierung gelte.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa