Politik

Inselfest auf Schwanenwerder Die Ahnung des Feuerwehrchefs

Viel hätte nicht gefehlt, und der Angriff der seit Jahrzehnten schwersten Orkanböen auf die Berliner Wannsee-Insel Schwanenwerder hätte in einer Katastrophe geendet. Trotz aller Eile bei der Flucht vor den Urgewalten überlebten ein 14-Jähriger aus Berlin-Köpenick und ein 16-Jähriger aus Frankfurt am Main das Unwetter nicht. Sie starben am Strand. Aber 120 andere Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren von Jugendfeuerwehren in ganz Deutschland erreichten den rettenden Hang rechtzeitig.

Die Schrecken auf der Ferieninsel machten nur einen Teil des Gewittersturms aus, bei dem in Berlin und Brandenburg sieben Menschen umkamen und 23 teils schwer verletzt wurden. Bei der Flucht dort wurden nur zwölf Kinder und Jugendliche und ein Betreuer verletzt, keiner von ihnen lebensgefährlich.

Gefährliche Zelte

"Nicht auszudenken, wenn die Kinder stattdessen Schutz vor dem Regen in ihren Zelten gesucht hätten," sagte Feuerwehr-Sprecher Jens-Peter Wilke. Und er wies auf die von Bäumen zerquetschten 20-Mann-Zelte, die aus den Beständen der Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks aufgestellt waren. Manche der Zelte hatten noch NVA-Vergangenheit.

Aber das störte die fröhlichen amerikanischen Kinder nicht, die am Mittwochnachmittag mit den deutschen Feuerwehr-Jugendlichen bei Fußball, Federball und Strandgrill ihren Berlin-Besuch ausgelassen feierten. Bundesinnenminister Otto Schily feierte mit, Feuerwehrchef Albrecht Broemme mit seinen beiden Kindern auch.

Noch ein bisschen bleiben

Die 25 Halbwaisen aus New York sind Kinder von US-Feuerwehrleuten, die bei den Einsätzen des 11. September ums Leben kamen. VW sponsert die von mehreren Stiftungen mitgetragene „Feuerwehrbrücke Berlin-USA", die den Kindern unbeschwerte Ferien in Deutschland ermöglichen soll. So gut gefiel den meisten von ihnen das Inselfest, dass sie dort bei den neuen deutschen Freunden übernachten und nicht in ihre Innenstadtherberge zurückkehren wollten.

Aber auch das charmanteste Betteln der Jugendlichen konnte Broemme nicht erweichen. Es gab ja die Unwetterwarnungen. Die Hitze war drückend. Elektrizität hing förmlich in der schwülen Luft. Zwar hatten die Bezirksbehörden die uralten Eichen, Weiden und Erlen am Wannseestrand schon auf ihre Standfestigkeit hin untersucht, bevor das Zeltlager vor einer Woche aufgeschlagen wurde. Außerdem ließen die Wetterwarnungen nach Aussage von Broemmes Stellvertreter Wilfried Gräfing einen derartigen, seit Jahrzehnten unbekannten Sturm nicht erwarten.

"Fünf Minuten nach Abfahrt der Amerikaner ging es los," berichtete Sprecher Wilke. Erst wurde es schlagartig dunkel. "Innerhalb von Sekunden stürzte dann eine große Zahl alter Bäume um." Viele Kinder hatten nur Badezeug an, als die von Broemme angeordnete Evakuierung und der Rettungseinsatz losging.

Nichts war wie vorher

Kinder und Erwachsenen rannten den Hang hinauf in Richtung Sicherheit. Der Boden bebte, als immer mehr Bäume krachend auf die Erde aufschlugen, Baumkronen splitterten und Äste durch die Luft peitschten. Ein 3,5-Tonnen-Rettungswagen der Feuerwehr, der zu Absicherung des Lagers abkommandiert war, wurde wie Papier zerknüllt.

Das Schreckensbild wurde schlaglichtartig von Zucken der Blitze durchzogen. Der Wolkenbruch fuhr dampfend in die Glut des Holzkohlenfeuers. Der Schwenkgrill wurde wie von einer großen Faust irgendwo beiseite geschleudert. Broemme brachte da gerade die New Yorker und seine eigenen Kinder weg. Als er nach kurzer Zeit zur Insel zurückkehrte, war nichts mehr so wie vorher: Die Zufahrtsstraße war von umgestürzten Bäumen versperrt. Anrückende Verstärkungen wurden von Bäumen auf den Schnellstraßen aufgehalten.

Von AP-Korrespondent Frieder Reimold

Quelle: ntv.de

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