Parlamentswahl in Venezuela Die "Chavistas" kämpfen verbissen
25.09.2010, 18:18 Uhr
Für Chávez geht es um Alles oder Nichts.
(Foto: AP)
Die Venezolaner wählen ein neues Parlament. Die Abstimmung ist auch ein Test für die Popularität des linken Staatschefs Chávez.
Den Fehler von 2005 werden die Gegner von Hugo Chávez und dessen Sozialistischer Einheitspartei PSUV diesmal nicht wiederholen. Von Boykott war vor der Parlamentswahl keine Rede. In der Allianz "Mesa de la Unidad Democrática", dem "Tisch der demokratischen Einheit", treten mehr als ein Dutzend Parteien an und wie es scheint, geschlossener denn je. Die Anhänger von Staatschef Hugo Chávez - die "Chavistas" - kämpfen verbissen um die 2005 wegen des damaligen Boykotts der Opposition leicht errungene Parlamentsmehrheit, könnten aber den Unmut der Wähler zu spüren bekommen.
Für Chávez geht es wie so oft schon um Alles oder Nichts. Auf dem Spiel steht "unsere Revolution und das Leben des Vaterlandes", wie er seine Landsleute wissen ließ. Das erklärte Ziel heißt: Zwei-Drittel- Mehrheit. Zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl dürfte der Urnengang auch zur Abstimmung über Chávez werden. Der Kuba-Fan, Castro-Freund und USA-Kritiker hält das südamerikanische Land unbeirrt auf striktem Sozialismus-Kurs. Dabei hat sich inzwischen ein Gemisch zusammengebraut, das dem "Primer Mandatario" Chávez ungelegen kommen könnte.
Alle 27 Minuten ein Mord
Im vorigen Jahr schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt Venezuelas um 3,3 Prozent, und die Inflation schlug mit 25 Prozent heftig zu. Auch 2010 dürfte das Land nicht aus der Rezession kommen. Prognosen sagen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zwischen 3 und 6 Prozent und einen neuen Anstieg der Inflation voraus. Die Venezolaner wurden in diesem Jahr zudem von einem Energienotstand und strengen Sparauflagen geplagt. Die Medien werden gegängelt, Enteignungen vorangetrieben.
All das dürfte Chávez, dessen Zustimmungswerte nach einer Umfrage sogar auf unter 40 Prozent gefallen sind, und seiner PSUV zu schaffen machen. Die Regierung wird im Wahlkampf auch für die Unsicherheit im Land verantwortlich gemacht. Mehr als 19.000 Morde seien 2009 in Venezuela registriert worden, berichtete die Zeitung "El Nacional". Statistisch hieße das: Alle 27 Minuten ein Mord.
Die Nerven liegen blank
Möglicherweise sind die Zahlen zu hoch gegriffen. Die "New York Times" schrieb von "nur" 16.000 Morden und titelte dennoch kürzlich: "Venezuela tödlicher als der Irak". Chávez konterte. Er sprach von einer Medienkampagne und geißelte die "Sensationsgier" der "konterrevolutionären Kräften". Wie könne man, fragte er empört, die ungebremste Gewaltdimension im Irak vergleichen mit Venezuelas strukturellen Sicherheitsproblemen, die die Regierung massiv und präventiv bekämpfe.
So kurz vor der Wahl liegen die Nerven auf beiden Seiten blank. Chávez warnte seine Anhänger vor zu viel Zuversicht: "Keiner kann sagen, dass wir unbesiegbar sind." Doch die Ausgangslage ist ungleich. Die Chavistas erhöhten schon vor Monaten ihre Chancen auf eine Mehrheit in dem 165 Sitze zählenden Parlament. Die Zuschnitte einiger der 87 Wahlkreise wurden geändert, und es kann ein Szenario geben, bei dem die Sozialisten zwar keine Stimmenmehrheit haben, aber dennoch die meisten Sitze im Parlament bekommen.
Chávez warnrt Gegner
Beobachter rechnen damit, dass unmittelbar nach dem Wahltag Vorwürfe über Wahlbetrug laut werden. Auch Chávez erwartet das. Er wisse von "Stoßtruppen der Bourgeoisie, die Betrug rufen und versuchen wollen, das Land in Brand zu setzen". Die Regierung führe eine friedliche Revolution an, sei aber wehrhaft und werde auf jeden Versuch der Destabilisierung reagieren, warnte er vorbeugend.
Die Chávez-Gegner versuchen möglichst viele der insgesamt rund 17 Millionen Wahlberechtigten für sich zu gewinnen. Bei allem Ernst im Venezuelas politischen Alltag greifen dabei einige zu Mitteln, die Europäer eher schmunzeln lassen. Gustava Rojas von der Partei "Primero Justicia" (Gerechtigkeit zuerst) etwa verkaufte Lose, um seinen Wahlkampf zu finanzieren. Der Hauptgewinn: Eine Brustvergrößerung.
Quelle: ntv.de, Helmut Reuter, dpa