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Flüchtlingsgipfel in Berlin Die Länder rebellieren, Scholz mauert

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In Geberlaune ist Scholz vor dem Treffen mit den Ministerpräsidenten nicht. Eher im Gegenteil.

In Geberlaune ist Scholz vor dem Treffen mit den Ministerpräsidenten nicht. Eher im Gegenteil.

(Foto: AP)

In Berlin treffen sich an diesem Mittwoch die Ministerpräsidenten mit Kanzler Scholz. Es gibt Streit um die Frage: Wer zahlt für die Flüchtlinge? Beide scheinen mit der Faust in der Tasche in die Verhandlungen zu gehen und geben sich hart.

Wenn zwei Züge aufeinander zu rasen, verheißt das nichts Gutes. Ein bisschen so fühlt es sich an, wenn an diesem Mittwochnachmittag die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler im Kanzleramt aufeinandertreffen. Ein großer Knall ist wahrscheinlich, denn es geht um Milliarden von Steuergeld - die Länder wollen es vom Bund, um damit Unterkünfte, Deutschkurse und mehr für die seit Monaten steigenden Flüchtlingszahlen zu finanzieren. Der Bund will es nicht geben, rechnet sich arm und sagt, die Länder hätten doch viel mehr Einnahmen als er und weniger Schulden.

Die zumindest medial vermittelte Schnappatmung auf beiden Seiten ist hörbar. Warum man sich überhaupt treffe, wisse man auch nicht, sagen Vertreter von Bund und Ländern in Hintergrundgesprächen. Eine Einigung sei sowieso nicht in Sicht. Diese Einschätzung hat auch damit zu tun, dass beide Seiten sich knallhart geben und sich über die jeweils anderen empören. Da ist sicher ein bisschen Show dabei, da wird gepokert nach dem Motto, wer zuerst zuckt, verliert. Aber verhärtet sind die Fronten in jedem Fall.

Seit Monaten kommen wieder mehr Geflüchtete nach Deutschland und zwar nicht nur aus der Ukraine. Allein im ersten Quartal gab es knapp 90.000 Asylanträge von Syrern, Afghanen und anderen - das könnte auf Jahressicht eine Zahl von weit jenseits der 300.000 bedeuten. Das stellt die Städte und Gemeinden vor große Aufgaben. "Es knirscht an allen Ecken und Enden", teilte der Städtetagspräsident Markus Lewe ntv.de mit. Städten und Gemeinden fehlt es an Wohnraum, Schul- und Kindergartenplätzen, aber auch an Lehrern für Deutsch- und Integrationskurse. Die Länder und auch die Bundes-CDU verweisen darauf, dass im vergangenen Jahr mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen als 2015 und 2016.

Bund rechnet sich arm

Die Länder fordern nicht nur mehr Geld für die kommenden Monate, sondern eine dauerhafte Regelung. Das Stichwort lautet hier "atmendes System". Die Atmung funktioniert so: Steigen die Flüchtlingszahlen, soll der Bund mehr zahlen. Sinken die Zahlen wieder, sinken auch die Zahlungen. Die Länder sind in dieser Frage Anwalt der Kommunen, denn die sind auf diesem Flüchtlingsgipfel gar nicht vertreten. Dass die Städte und Gemeinden das gerne so hätten, ist kein Wunder. Finanziell wäre das Flüchtlingsproblem für sie dann weitgehend gelöst.

Das Motto "Berlin soll zahlen" kommt in der Hauptstadt natürlich weniger gut an. Die Strategie der Bundesregierung ist es, sich arm zu rechnen. Sie verweist in einem Papier darauf, dass die Länder immer mehr Steuereinnahmen hätten, Überschüsse erwirtschafteten und weniger Schulden hätten. Außerdem übernehme der Bund bereits einen Großteil der Kosten - zum Beispiel, indem er den rund eine Million Ukrainern Bürgergeld und damit den Lebensunterhalt zahlt. Außerdem sei Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge nun einmal Ländersache.

Die Länder haben das in einem eigenen Papier zurückgewiesen. Der Tenor: Die zusätzlichen Steuereinnahmen brauchen wir, weil der Bund uns ständig neue Aufgaben zuweist und sich selbst einen schlanken Fuß macht. Wenn der Bund den Zuzug nicht begrenzt, müsse er eben zahlen, sagte CDU-Politiker Thorsten Frei dazu bei ntv.de und stellte sich damit auf die Seite der Länder.

Nicht alle ächzen

Klar ist aber auch, dass sich nicht alle Probleme mit Geld lösen lassen. Das zeigt sich schon in den Äußerungen des Städtetagspräsidenten. Neubau von Wohnraum dauert Monate bis Jahre und der Lehrer- und Erziehermangel liegt nicht am mangelnden Willen oder Geld, die nötigen Leute einzustellen. Es gibt schlicht nicht genug Personal. Die Ausbildung dauert aber ebenfalls Jahre. Trotzdem haben die Kommunen bereits viel Geld ausgegeben, um die Asylbewerber zu versorgen und zu integrieren.

Wie groß der Unmut in der Fläche über das Problem ist, lässt sich schwer messen. Im Trendbarometer von RTL und ntv nennen es die Befragten jedenfalls nicht unter den Themen, die sie am meisten beschäftigen. In den jüngsten Wahlkämpfen, sei es in Berlin oder Bremen, spielten die Flüchtlinge keine besondere Rolle. Es ist auch nicht so, dass alle Kommunen, landauf, landab ächzen, wie das Beispiel Rottenburg am Neckar zeigt, wo laut Bürgermeister Stephan Neher die Lage unter Kontrolle ist.

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Viele Landräte und Bürgermeister klagen darüber, dass ihnen auch Asylbewerber zugewiesen werden, die noch keinen positiven Bescheid haben oder auch gar keine Chance darauf haben. Hinzu kommt, dass die meisten, die abgelehnt werden, nicht abgeschoben werden können. Beispielsweise weil ihr Heimatland zu gefährlich ist oder dieses sie nicht zurücknehmen will. Es scheinen sich alle Parteien weitgehend einig zu sein, den Zuzug zu begrenzen, Verfahren zu beschleunigen und Abschiebungen zu erleichtern. Die Frage ist nur, wie genau. Diese Frage wird auch nach dieser Ministerpräsidentenkonferenz für Gesprächsstoff sorgen. Kurzfristig sind an dieser Front sowieso keine Befreiungsschläge zu erwarten. So sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst im "ntv Frühstart": "Wenn wir auf Abschiebungen setzen, lügen wir uns in die Tasche."

An diesem Nachmittag geht es aber vor allem um die Frage: Wer zahlt? Bewegt sich niemand, könnte das Treffen in 30 Minuten vorbei sein. Oder 30 Stunden dauern, wenn ein ganz neues System ausgehandelt wird.

Quelle: ntv.de

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