Das Wahlprogramm der SPD "Die Richtung stimmt"
23.04.2002, 12:39 UhrUnter dem Motto "Eneuerung und Zusammenhalt - Wir in Deutschland" will die SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen. Das Wahlprogramm, das der Parteivorsitzende, Bundeskanzler Gerhard Schröder, an diesem Mittwoch in Berlin vorstellen will, enthält auf 153 DIN-A-4-Seiten Aussagen zu praktisch allen Politikfeldern. "Die Richtung stimmt", heißt es darin zur bisherigen SPD-Regierungsarbeit. In vielen Punkten werden in dem als Regierungsprogramm bis 2006 angelegten Konzept konkrete Festlegungen vermieden.
Im Vergleich zum Programm von 1998, das noch die Handschrift des ehemaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine trug, enthält das neue Papier aber deutlich "wirtschaftsfreundlichere" Vorschläge. Auch im Bildungsteil verabschiedet sich die SPD von alten Positionen und den von der 68-er Generation geprägten Denkmustern zur Erziehung. So wird etwa ein klares Bekenntnis zu mehr Leistung an den Schulen abgelegt. Kernpunkte des Entwurfs, den der SPD-Vorstand am Dienstagabend endgültig beschließen wollte:
STAAT:
- Alle Aufgaben des Staates will die SPD überprüfen. Bisherige Ansprüche, die den Staat überfordern, müssen zurückgenommen werden. Die "Ideologie der totalen Entstaatlichung" wird abgelehnt.
AUSSEN- und SICHERHEIT, EUROPA:
- Weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr seien notwendig, wenn diese durch UN-Beschluss und den Soldaten gegenüber verantwortbar sind. "Man darf sich seiner Verantwortung nicht entziehen, wenn Völkermord oder die Eskalation gewaltsamer Konflikte drohen." Deutschland sei jetzt ein "normales Land" Bei den Missionen müssten aber deutsche Interessen und Fähigkeiten beachtet werden. Bei der allgemeinen Wehrpflicht soll es bleiben.
- Der nächste Präsident der EU-Kommission soll vom Europa- Parlament gewählt werden. Bei der Ost-Erweiterung müssen siebenjährige Übergangsfristen bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und bei Dienstleistungen vereinbart werden. Trotz französischer Bedenken will die SPD die deutschen EU- Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft reduzieren.
WIRTSCHAFT, STEUERN, ARBEITSMARKT:
- An der Konsolidierung derStaatsfinanzen sei festzuhalten. Angekündigt wird die Gründung einer Mittelstandsbank. Existenzgründer sollen von den Zwangsbeiträgen an die Industrie- und Handelskammer befreit werden.
- Das Ziel, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wird ebenso bekräftigt wie die Zusage, die Ökosteuer über 2003 hinaus nicht weiter anzuheben.
- Zentrales Ziel für den Arbeitsmarkt bleibt die Vollbeschäftigung. Auch niedrig entlohnte Beschäftigung müssten für Arbeitnehmer attraktiv und für Arbeitgeber bezahlbar sein. Das "Mainzer Modell" mit Zuschüssen soll bundesweit im Einkommensbereich zwischen 325 und 800 Euro ausgedehnt werden. Durch Verzahnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen Langzeitarbeitslose schneller vermittelt werden. Eine gesetzliche Regelung zur Begrenzung der Überstunden ist nicht vorgesehen. Das Bündnis für Arbeit will die SPD fortführen.
BILDUNG:
- Schulen und Lehrer müssen nach Ansicht der SPD wieder "mehr Wertschätzung" erhalten. Notwendig sei eine klare Wertorientierung und das Einhalten von Regeln. "Nur eine Schule die fordert, kann auch fördern." Deutsch müsse als Arbeitssprache im ersten Schuljahr auch für Ausländerkinder möglich sein. Für die Einrichtung von 10 000 Ganztagsschulen will der Bund für einen Zeitraum von vier Jahren jeweils eine Milliarde Euro bereitstellen. Lehrer sollen verpflichtet werden, einen Teil der unterrichtsfreien Zeit zur Fortbildung zu nutzen.
OSTDEUTSCHLAND:
- Die 2004 auslaufende steuerliche Investitionszulage soll durch eine "gleichwertige Nachfolgeregelung" ersetzt werden. Bei neuen staatlichen Forschungszentren müsse der Osten als Standort bevorzugt werden. Die aktive Arbeitsmarktpolitik soll zielgenauer ausgestaltet werden. Mittelfristig müsse der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchgesetzt werden. Ein Termin dafür wird nicht genannt.
FAMILIE:
- Das Kindergeld will die SPD schrittweise auf 200 Euro monatlich anheben. Mit einer erweiterten steuerlichen Absetzbarkeit von Betreuungskosten bei Berufstätigen sollen allein Erziehende entlastet werden. Das Ehegattensplitting soll nicht abgeschafft, aber zu Gunsten der Kinderförderung umgestaltet werden.
GESUNDHEIT:
- Zusätzliche Belastung für Versicherte und Patientensind nicht geplant. Die Beitragsbemessungsgrenze und damit der Höchstbetrag zur Krankenkasse wird nicht angehoben. Für neue Versicherte soll aber der Wechsel in die private Krankenversicherung durch Anhebung der Pflichtgrenze erschwert werden. Neue Medikamente sollen die Kassen erst dann bezahlen, wenn ein Nutzen wissenschaftlich feststeht. Die Kassen sollen neben Kollektiv-Verträgen auch Einzelabkommen mit Ärzten und Kliniken abschließen können.
INNEN:
- Zum besseren Schutz von Kindern sollen bei schweren Sexualdelikten die Überwachung von Tätern mit elektronischen Mitteln geprüft werden. Verurteilte Kriminelle sollen stärker als bisher im Strafprozess zu Schadenersatz verurteilt werden können. Der offene Einsatz von Videokameras an Kriminalitätsbrennpunkten wird befürwortet.
- Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten sollen von parteipolitischem Einfluss befreit werden. Die Entstehung von Medien-Monopolen in Deutschland müsse aufmerksam beobachtet werden, nötigenfalls seien gesetzliche Maßnahmen erforderlich.
Quelle: ntv.de