Politik

Merkel droht mit Schengen "Die Zeit drängt"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat von Liechtenstein unmissverständlich die sofortige Eindämmung von Steuerhinterziehung gefordert. Nach einem Gespräch mit Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler in Berlin drohte sie dem Fürstentum indirekt mit Konsequenzen, falls sich die Regierung in Vaduz nicht bewege. "Die Zeit drängt", mahnte Merkel. Sie bestritt, der Regierung in Vaduz ein Ultimatum gestellt zu haben.

Nach der einstündigen Begegnung mit Hasler wählte die Kanzlerin so deutliche Worte, wie sie sie gegenüber einem ausländischen Gast noch nie gebraucht hatte. Konkret verlangte Merkel den Beitritt Liechtensteins zu drei Abkommen, die Steuerhinterziehung und Geldwäsche verhindern sollen.

Als Maßstab nannte sie Abmachungen, die Liechtenstein nach massiven Druck aus Washington mit den USA abgeschlossen hat. "Was in den USA möglich ist, sollte auch mit der EU möglich sein." Liechtenstein musste sich gegenüber den USA verpflichten, im Ausland lebende US-Bürger zu melden, die Geld in das Fürstentum transferieren.

"Je schneller das passiert, desto besser das Fundament für die gutnachbarschaftlichen Beziehungen", sagte Merkel. Und gab ihrem Gast eine Warnung mit: Sie begrüße den geplanten Schengen-Beitritt Liechtensteins mit dem Wegfall der Grenzkontrollen. Bei der Ratifizierung des Abkommens im Bundestag könnten aber durchaus noch "Fragen" aufkommen. Die Abgeordneten könnten sich dann erkundigen, wie es mit anderen Vereinbarungen stünde.

Merkel weist "Theorien" des Erbprinzen zurück

Im Gegensatz zu den harschen Vorwürfen des amtierenden Staatsoberhaupts Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein signalisierte Hasler Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Er legte sich nicht auf zusätzliche Schritte fest, vermied aber Vorwürfe wegen der Aktion des Bundesnachrichtendienstes (BND) in seinem Land.

Merkel und Hasler unterstrichen ihr Interesse an guten Beziehungen. Erbprinz Alois hatte von einer Kampagne eines "Großstaats" gegen Liechtenstein gesprochen. Die fürstlichen Attacken wies Merkel kühl zurück. "Solche Theorien, die da gestern geäußert wurden, die halte ich nicht für tragfähig und auch nicht für richtig. Und im Übrigen auch nicht für hilfreich für unsere Beziehungen."

Merkel unterstrich den Grundsatz der Steuerpflicht aller Bürger in Deutschland. Zugleich sagte sie, die Bundesregierung fände es nicht gut, wenn von den Banken in Liechtenstein "gewisse Animationen" ausgingen, die Steuerhinterziehung begünstigten.

"Lichtenstein ist auf einem Reformweg"

Hasler sagte zu, dass sich Liechtenstein Schritt für Schritt in den europäischen Rechtsrahmen eingliedern wolle. "Lichtenstein ist auf einem Reformweg", betonte er. Dieser Prozess sei unabhängig von den Ereignissen der vergangenen Tage eingeschlagen worden. "Wir sind interessiert daran, dass das Betrugsabkommen bald abgeschlossen wird."

Schon vor der Begegnung hatte die Bundesregierung ihren Katalog von Forderungen vorgelegt. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, Berlin erwarte "konstruktive Mitarbeit" bei den Bemühungen der OECD-Länder im Kampf gegen schädlichen und unfairen Steuerwettbewerb. Das Zusatzprotokoll über die Rechtshilfe in Steuerstrafsachen müsse unterzeichnet werden. Liechtenstein müsse ferner die dritte EU-Richtlinie im Kampf gegen Geldwäsche rasch umsetzen. Diese Richtlinie ist aber auch in Deutschland noch nicht umgesetzt. Sie soll nun Ende Februar vom Bundeskabinett beraten werden.

Schließlich hofft Deutschland auf einen "erfolgreichen Verlauf" der Verhandlungen über das Abkommen von EU und Liechtenstein zur Betrugsbekämpfung. Ein Sprecher des Finanzministeriums mahnte mehr Transparenz bei Stiftungen in Liechtenstein an. Diese Stiftungen seien eine "Einflugschneise für Kriminalität".

Rolle des BND weiter unklar

Das Parlamentarische Kontroll-Gremium (PKG) kann nach der Unterrichtung durch die Bundesregierung über die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes in Liechtenstein noch keine endgültige Bewertung vornehmen. "Es gibt noch keine abschließende Bewertung", sagte der SPD-Politiker und PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann. Zunächst müssten die Gremiumsmitglieder die Akten einsehen. Am 5. März soll die Unterrichtung über die BND-Rolle in der Steueraffäre fortgesetzt werden.

Erbprinz Alois hatte Deutschland vorgeworfen, die Informationen über deutsche Steuerflüchtlinge von einem "Dieb" gekauft zu haben. Auf einer CD mit Kundendaten Liechtensteiner Banken sollen zahlreiche Namen gespeichert sein. Der BND hatte die CD einem Informanten für über vier Millionen Euro abgekauft. Die Bundesregierung hält das Vorgehen für rechtmäßig.

Seit Montag durchsuchen Steuerfahnder aufgrund der vorliegenden Daten bundesweit Banken, Privatwohnungen und Büros. Begonnen hatten die Aktionen vergangene Woche mit einer Razzia beim mittlerweile zurückgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel. Ihn haben die Staatsanwälte im Verdacht, rund eine Million Euro hinterzogen zu haben. Den Ermittlern liegen nach Angaben der Bundesregierung die Daten über 1000 mutmaßlicher Steuersünder vor. Am Mittwoch wurde der bayerische Datenschutzbeauftragte vom Dienst suspendiert. Auch sein Name soll sich auf der CD befinden.

Quelle: ntv.de

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