Politik

Bekenner-DVD ohne Bekennner Die offenen Fragen der Nazi-Mordserie

(Foto: dpa)

Wie starben die beiden Uwes? Warum wurde eine Bekenner-DVD nicht verschickt? Welche Rollen hatte der Verfassungsschutz - und warf ein V-Mann gezielt Nebelkerzen? Beobachter der Enthüllungen um die Neonazi-Mordserie dürften leicht den Überblick verlieren. Viele Fragen sind offen.

Auch gut eine Woche nach der Entdeckung der Zwickauer Neonazi-Zelle, die mindestens zehn Menschen in ganz Deutschland ermordet haben soll, sind entscheidende Punkte ungeklärt. Dabei geht es nicht nur um die fast 14 Jahre, die die Gruppe im Untergrund verbrachte, und die möglicherweise zwielichtige Rolle des Verfassungsschutzes. Völlig unklar ist bisher auch, wie die beiden Männer des Trios umkamen - und warum sie überhaupt den Tod fanden. Eine Liste der offenen Fragen.

Die Todesumstände im Wohnmobil

Am 4. November wurden die beiden Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot in einem Wohnmobil bei Eisenach gefunden. Laut Sicherheitsbehörden begingen sie nach dem Überfall auf eine Sparkasse Selbstmord, weil sie sich von der Polizei verfolgt fühlten. Es gibt es jedoch widersprüchliche Darstellungen darüber, wie die beiden Männer konkret starben. Unklar ist, wie sie das Wohnmobil nach der Selbsttötung ausbrennen ließen. Zumindest fragwürdig erscheint, dass zwei Männer, die die Polizei fast 14 Jahre lang zum Narren hielten und kaltblütig zehn Menschen ermordet haben sollen, sich von Streifenpolizisten in den Selbstmord haben treiben lassen.   

Bekenner-DVD im Untergrund

Fahndungsfotos der Polizei für das Trio aus dem Jahr 1998.

Fahndungsfotos der Polizei für das Trio aus dem Jahr 1998.

(Foto: REUTERS)

Die Ermittler sprechen von einem absolut ungewöhnlichen Fall: Gewöhnlichen Terroristen geht es normalerweise weniger um die Tat an sich als um das Aufsehen und die Angst, die sie damit erzeugen - den Terror also, den etwa die unvergesslichen Bilder der einstürzenden Türme des World Trade Centers in New York 2001 auslösten. Doch das Zwickauer Trio prahlte nicht mit seinen Taten, es gab jahrelang offenbar keine Bekennerschreiben oder rechtsextremistischen Symbole an den Tatorten.

In der ausgebrannten Zwickauer Wohnung entdeckten die Ermittler allerdings zynische und offenbar professionell produzierte Bekenner-DVDs mit Bildern der Toten, der Tatorte und auch der mutmaßlich bei einem Anschlag in einer vorwiegend von Türken bewohnten Straße in Köln verwendeten Bombe. Durch den Film schleicht die Comic-Figur Paulchen Panther - möglicherweise ein hämischer Hinweis auf die Krimi-Komödie "Der rosarote Panther" und den trotteligen Inspektor Jacques Clouseau, der bei seinen Ermittlungen stets zur Lachnummer wird. Es stellt sich die Frage, warum das Zwickauer Trio diesen Bekenner-Film über vier Jahre nach dem letzten Mordfall zuhause bunkerte.   

Der mutmaßliche Helfer Holger G.

Der 37-Jährige war zwar im Visier des Verfassungsschutzes, die Spur wurde aber nicht weiterverfolgt. Der niedersächsische Verfassungsschutz räumte deshalb Versäumnisse ein. Bereits im Herbst 1999 habe die Behörde den inzwischen inhaftierten mutmaßlichen Unterstützer der Zelle auf Bitten des Thüringer Verfassungsschutzes drei Tage lang observiert. Damals bestand demnach der Verdacht, dass Holger G. den drei untergetauchten Neonazis bei der Suche nach einem Quartier helfen sollte. Die niedersächsischen Kollegen observierten Holger G., unternahmen aber darüber hinaus nichts.       

Nazi-Demo in Wunsiedel.

Nazi-Demo in Wunsiedel.

(Foto: dpa)

Auch nicht, als weitere Erkenntnisse über dessen rechte Gesinnung auftauchten: 1999 soll Holger G. die Hochzeitsfeier eines bekannten Neonazis besucht und bis 2003 an mehreren Neonazi-Demonstrationen teilgenommen haben. 2004 habe er das Konzert einer Skinhead-Band besucht. Inzwischen räumt der Geheimdienst ein, es sei falsch gewesen, Holger G. als Randfigur einzustufen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Holger G. das Neonazi-Trio seit 2007 unterstützte und deckte, indem er den Mitgliedern seinen Führerschein und Reisepass überließ.            

Thüringer Verfassungsschutz im Zwielicht

Die Neonazi-Zelle konnte Anfang 1998 einfach untertauchen, obwohl der Chef des rechtsextremen "Thüringer Heimatschutzes", wo die drei Verdächtigen offenbar lange regelmäßig verkehrten, zu den V-Leuten des Dienstes zählte. Die inzwischen inhaftierte Beate Zschäpe soll einem Bericht der "Bild"-Zeitung zufolge nach dem Untertauchen 1998 immer wieder Kontakt zu V-Leuten des Thüringer Verfassungsschutzes gehabt haben. Dessen Chef Thomas Sippel schloss nicht aus, dass sein Vorgänger Helmut Roewer in den 1990er Jahren Informanten auf eigene Rechnung führte. Roewer selbst wies die Vorwürfe zurück. Die Bundesanwaltschaft erklärte, sie habe keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Mitgliedern der Zelle. In Ermittlungskreisen wird einem "Focus"-Bericht zufolge gemutmaßt, dass ein Hintermann das Zwickauer Trio durch seine Tipps mehrfach vor dem Zugriff der Polizei bewahrte.    

Mindestens zehn Morde - und nach 2007?  

Unter den mutmaßlichen Opfern der Neonazi-Zelle sind acht Deutsch-Türken und ein Grieche. Die Gruppe soll sie aus fremdenfeindlichen Motiven erschossen haben. Unklar ist, warum im April 2007 auch eine Heilbronner Polizistin sterben musste. Nach dem Mordanschlag auf sie und ihren Kollegen hörte die Mordserie offenbar auf. Sicher ist dies allerdings nicht: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich lässt inzwischen alle ungeklärten Straftaten seit dem Untertauchen der Gruppe 2008, die einen rechtsextremistischen Hintergrund haben könnten, auf eine Verbindung zu dem Trio überprüfen.

Quelle: ntv.de, rts

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