Revolution in Nordafrika verpasst Diplomaten stinksauer auf Sarkozy
24.02.2011, 07:55 Uhr
Hat zu Nordafrika noch nicht viel gesagt: der französische Präsident Nicolas Sarkozy.
(Foto: dpa)
Frankreich gilt als Wiege der Diplomatie - doch Präsident Sarkozy ist alles andere als ein geborener Diplomat. Im Außenministerium wächst der Frust angesichts der von Elysée gesteuerten, schlingernden Außenpolitik.
Frankreichs Diplomaten sind erbost: Erst hört der Präsident nicht auf sie, und dann macht er sie auch noch für diplomatische Missgeschicke verantwortlich. Im Quai d'Orsay, dem mit Lüstern und Goldstuck opulent dekorierten Außenministerium, brodelt es. Eine Gruppe von Diplomaten hat kürzlich einen Brandbrief gegen Sarkozy in "Le Monde" veröffentlicht. Im Hinblick auf die Umwälzungen in der arabischen Welt scheint Frankreich seine Stimme verloren zu haben. Außenministerin Michèle Alliot-Marie hat sich durch ihre private Tunesien-Affäre selbst ein Bein gestellt, ihr Abschied aus der Regierung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Im Café Marly, das zum Louvre-Museum gehört, hatten sie sich zusammengefunden: sechs entnervte Diplomaten, rechte und linke, junge und erfahrene. An ihrem Manifest haben mehr als zwei Dutzend weitere mitgeschrieben. Die zögerliche Reaktion des französischen Präsidenten angesichts der Lage in Ägypten hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. "Obama hat sich jeden Tag zu Wort gemeldet, aber der Elysée blieb stumm - oder mäkelte am eigenen Botschafter herum", schimpfte einer der Autoren, die alle anonym blieben.
Botschafter wird Sündenbock in Tunesien
Schon bei der tunesischen Revolution hatten die französischen Diplomaten den Eindruck, zum Sündenbock gemacht zu werden. Sarkozy warf seinem Botschafter in Tunis unverhohlen vor, die Lage verkannt zu haben - und zog ihn mit großer Geste ab. Nachher stellte sich allerdings heraus, dass der Elysée so manche Analysen der Botschaft vor Ort nicht ernst genommen hatte.
Der neue Botschafter in Tunis hat die Lage nicht verbessert. Eigentlich war ein erfahrener Diplomat für den Posten im Gespräch gewesen. "Aber der Elysée hat sich durchgesetzt und einen impulsiven und inkompetenten jungen Mann geschickt", hieß es. Der 41-Jährige "Sarko-Boy", dessen Foto mit gestähltem nackten Oberkörper durchs Internet schwirrt, setzte sich direkt mit einer rüden Antwort an eine tunesische Journalistin in die Nesseln. Hunderte von Tunesiern demonstrierten vergangenes Wochenende vor der französischen Botschaft und forderten seine Ablösung.
Außenministerin verstrickt in Ägypten
In Frankreich ist die Außenpolitik seit jeher die Domäne des Präsidenten. Das musste auch Ex-Außenminister Bernard Kouchner leidvoll erfahren, der sich am Ende seiner Amtszeit nur noch auf Nebenschauplätzen tummeln durfte. So wurde die spektakuläre Aussöhnung zwischen Frankreich und Ruanda etwa von Präsidentenberater Henri Guaino eingefädelt.
Wer mit der Ankunft von Alliot-Marie auf eine starke Außenministerin gehofft hatte, wurde bald enttäuscht. Erst kam heraus, dass die Ministerin in Tunesien Urlaub gemacht hatte, als die Polizei bereits auf Demonstranten schoss und sich dabei von einem Vertrauten Ben Alis zu Flügen hatte einladen lassen. Später wurde bekannt, dass ihre hochbetagten Eltern mit demselben Geschäftsmann ein Immobiliengeschäft unterzeichneten. Das Appartement mit Meeresblick dürfte auf längere Sicht wohl eher für die Ministerin bestimmt sein, munkelt das Enthüllungsblatt "Le Canard Enchaîné".
Fakt ist, dass die Ministerin sich seit dieser Nummer keine Äußerungen mehr zur Lage in Tunesien erlauben kann. Den ersten Ministerbesuch bei der neuen Regierung musste deswegen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde übernehmen.
Präsident fordert Sanktionen für Libyen
Und zur Lage in Libyen äußert der Präsident sich lieber gleich selbst. Nachdem Frankreich zwei Revolutionen mehr oder weniger verpasst hat, macht Sarkozy im Fall von Libyen jetzt Druck und fordert großmundig die EU-Partner zu Sanktionen auf.
Seine Kritik an Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi klingt allerdings hohl vor dem Hintergrund, dass Gaddafi noch 2007 mit allem Pomp zu einem fünftägigen Besuch in Paris empfangen worden war. Damals ging es um Geschäfte in Höhe von zehn Milliarden Euro, unter ihnen auch Rüstungsgeschäfte. Heute lässt Gaddafi seine Schergen auch mit Waffen aus französischer Produktion auf das eigene Volk feuern.
Quelle: ntv.de, Ulrike Koltermann, dpa