Aufnahme von Häftlingen Druck aus Washington
11.06.2009, 08:14 UhrDie US-Regierung will offenbar beim Thema Guantánamo-Auflösung nicht auf die Hilfe Deutschlands verzichten. Nachdem Berlin die Aufnahme von 9 uigurischen Häftlingen abgelehnt hatte, liegt nun eine neue Anfrage vor.
Die USA haben Deutschland um weitere Unterstützung bei der Aufnahme von Häftlingen aus dem Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba gebeten. "Im Bundesinnenministerium sind zwei weitere Bitten angekommen", sagte Ministeriumssprecher Stefan Paris in Berlin. Er bestätigte damit einen Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Bei der neuen Anfrage soll es sich um die Aufnahme eines Tunesiers und eines Syrers handeln. Das berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Über die Anfrage könne die Bundesregierung allerdings bisher nicht abschließend entscheiden: "Wir brauchen, wenn wir es prüfen sollen, mehr Informationen", sagte Paris. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen handelt es sich bei den Häftlingen nicht um Uiguren.
Die US-Regierung hatte Deutschland zuvor um die Aufnahme von 9 uigurischen Häftlingen aus dem umstrittenen Militärgefängnis gebeten. Ihre Aufnahme wurde vor allem von den Unions-Innenministern als zu riskant abgelehnt. Der Inselstaat Palau im Pazifik will auf Bitten Washingtons bis zu 17 Uiguren eine neue Heimat geben. Bisher ist unklar, ob die 9 Uiguren zu diesen 17 Häftlingen gehören. Einiges spricht nach Ansicht der Bundesregierung dafür.
Grüne kritisieren Hinhaltetaktik
"Schon mit seinem Vorgehen in der Sache der uigurischen Guantánamo-Häftlinge hat Innenminister Schäuble dem humanitären Ruf der Bundesrepublik geschadet und die Beziehungen zu den USA schwer belastet", erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth. "Schäuble prüfte und prüfte, bis der Kleinstaat Palau einsprang."
Die Uiguren sind ein muslimisches Volk, von denen ein Teil in China lebt. China hat mehrere Uiguren-Gruppen zu terroristischen Vereinigungen erklärt und macht Separatisten für etwa 300 Anschläge mit mehr als 160 Toten seit 1990 verantwortlich. Uiguren werden laut Menschenrechtsgruppen mit Folter, Massenverhaftungen und Todesurteilen von China unterdrückt.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme einiger Häftlinge signalisiert. Die Bundesregierung prüft, ob die Häftlinge ungefährlich sind, warum sie nicht in den USA bleiben oder in ihr Heimatland zurückkehren können und ob es einen Bezug zu Deutschland gibt.
Jemenitische Insassen nach Saudi-Arabien
Saudi-Arabien könnte einem Zeitungsbericht zufolge einen größeren Teil der rund hundert aus dem Jemen stammenden Insassen des US-Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba aufnehmen. Ein entsprechendes Abkommen der US-Regierung mit der jemenitischen Regierung und Saudi-Arabien rücke näher, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf US-Regierungsvertreter. Das Schicksal der jemenitischen Gefangenen, die in etwa die Hälfte der rund 240 verbliebenen Guantánamo-Insassen ausmachen, bereitet Washington den Angaben zufolge wegen ihrer großen Zahl und ihrer vermuteten Verbindungen zu Al Kaida mit die größten Probleme.
Die USA wollen dem Zeitungsbericht zufolge vermeiden, die Jemeniten in ihr Heimatland zurückzuschicken, weil die Regierung in Sanaa möglicherweise nicht gut genug über sie wache. In Saudi-Arabien sollen sie stattdessen in "Rehabilitierungszentren" untergebracht werden, meldete das "Wall Street Journal" weiter. Jemens Regierung pocht hingegen darauf, dass alle seine in Guantánamo einsitzenden Staatsbürger wieder heimkehren.
Vier Uiguren auf die Bermudas
Derweil haben die USA vier uigurische Guantanamo-Häftlinge auf die Atlantik-Inselgruppe Bermuda gebracht. Die Uiguren seien gemäß einer Vereinbarung zwischen den USA und dem Archipel dorthin gebracht worden, teilte das US-Justizministerium in Washington mit. Ihre Freilassung sei gerichtlich angeordnet worden. Die vier aus China stammenden Uiguren waren demnach nicht als Sicherheitsrisiko für die USA eingestuft worden.
US-Präsident Barack Obama will das berüchtigte US-Gefangenenlager in Kuba bis Anfang kommenden Jahres schließen. Die rund 1000 Kilometer vor der Ostküste der USA gelegenen Bermuda-Inseln zählen zum Hoheitsgebiet der britischen Krone. Von ihren rund 360 Inseln sind etwa 20 bewohnt, die Einwohnerzahl beträgt rund 65.000.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP