Riester-Rente vs. Euro-Recht EG-Vertrag ignoriert?
14.01.2002, 10:41 Uhr2002 ist gekommen. Der Euro und die "Riester-Rente" sind da. Eine Währung für zwölf Länder. Wir sind jetzt alle richtige Europäer. Doch die "Riester-Rente" vermiest sonnenhungrigen Arbeitnehmern die Gedanken an die Zukunft. Denn die Zuschüsse müssen zurückgezahlt werden, wenn der Lebensabend im Ausland geplant wird. Ein Entwurf, der leider recht ausländer- und auslandsfeindlich ist. Wer nach Jahrzehnten harter Arbeit seine Rente zum Beispiel in Spanien ausgeben möchte, muss einen Strafbetrag an den deutschen Fiskus überweisen. Somit wird der Umzug in ein anderes europäisches Land erschwert.
Beispiel: Wer 30 Jahre "riestert", bekommt soviel dazu: Verheiratet, zwei Kinder, Jahreseinkommen von 50.000 - Förderung: circa 18.195 . Auch wenn man nur einige Jahre im Ausland verbringen möchte, muss dieser Betrag an den Staat zurücküberwiesen werden.
Diese Erschwernis scheint gegen den Artikel 18 (ehemals Artikel 8a I) der EG-Verträge zu verstoßen. In Maastricht beschlossen die Verantwortlichen die Unionsbürgerschaft. Jeder Bürger der EU hat demnach das Recht, sich überall in der Europäischen Gemeinschaft frei zu bewegen und aufzuhalten. Auch Rentner.
Die Bundesregierung wirbt online für die EU-Bürgerrechte. "Rentner können überall in der Europäischen Union ihren Lebensabend verbringen. Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ist eine Krankenversicherung und ein Einkommen, das über dem Sozialhilfesatz des Gastlandes liegt." Der dürfte weder in der Türkei noch in Spanien besonders hoch sein.
Die"Riester-Rente" ein Fall für den Europäischen Gerichtshof?
Ulrich Becker, Professor an der Universität Regensburg und Experte im europäischen Sozialrecht, bestätigt, dass es denkbar ist, aus dem Art. 18 EG-Vertrag ein Beschränkungsverbot abzuleiten. "Artikel 18 EGV verbirgt ein subjektives Recht, also ein Recht jedes Unionsbürgers. Dieses Recht auf Freizügigkeit wird durch die Verpflichtung zur Rückzahlung der Subventionen erschwert. Darin lässt sich durchaus ein Eingriff erblicken", erklärte Becker. Allerdings gebe es bezüglich der allgemeinen Freizügigkeit noch wenig Rechtsprechung.
Denn es gibt noch keine "Riester-Rentner", die ihr Geld im Ausland beziehen. Wer so handelt, begeht eine "schädliche Verwendung". Auf diese Bezeichnung angesprochen, reagierte Becker mit Unverständnis. "Ich sehe den Sinn dieser Formulierung für den vorliegenden Zusammenhang nicht. Der Rechtfertigungsgrund für die Rückzahlungsverpflichtung ist nicht erkennbar." Wenn es nur darum gehe, den Euro in Deutschland zu halten, sei dies jedenfalls sachwidrig.
Wer also die Zusatzrente abschließen möchte, muss sich darauf einstellen, entweder seine paar Euro hauptsächlich im kalten und teuren Deutschland ausgeben zu müssen oder sich der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht im Ausland zu unterwerfen. "Die Bezeichnung Zusatzrente", wirft Becker ein, "ist sowieso missverständlich. Sie hat den Zweck, die später auftretenden Defizite der staatlichen Rente nach der letzten Reform auszugleichen."
Wie Becker abschließend bemerkte, sei es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Rückzahlungspflicht nicht besteht, wenn sich jemand bereit erklärt, trotz des Auslandswohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig zu bleiben. Wer also neben der Rente noch Einkünfte bezieht, zum Beispiel aus Vermietung und Verpachtung, sollte dies beherzigen. Aber für den ist die "Riester-Rente" ja eigentlich nicht gedacht.
Quelle: ntv.de