100 Milliarden Euro EU hilft gegen Bankrott
20.03.2009, 12:07 UhrDeutschland und andere starke Partner in Europa treffen für krisengeschüttelte Staaten milliardenschwere Vorsorge. Vor dem Weltwirtschaftsgipfel (G20) in zwei Wochen in London bietet die Europäische Union dem Internationalen Währungsfonds (IWF) frisches Kapital von 75 Milliarden Euro an. Auf dem G20-Gipfel will Europa mit einer Stimme sprechen und den IWF mit mehr Macht ausstatten, um die Weltfinanzmärkte schärfer zu kontrollieren. Die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen zum Abschluss ihres Gipfels in Brüssel zudem, den eigenen "Notfallfonds" auf 50 Milliarden Euro zu verdoppeln.
"Was wir beschlossen haben, wird Europa helfen, die Wirtschaftskrise zu überwinden", sagte der Ratspräsident und tschechische Regierungschef Mirek Topolanek. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht die EU gut gerüstet für den Weltwirtschaftsgipfel am 2. April. "Wir brauchen Ergebnisse", sagte Merkel. Es gebe in der EU große Übereinstimmung, dass die Regulierung der Märkte Vorrang habe.
"Es ist ein guter Text"
Nach den Exzessen auf den weltweiten Finanzmärkten und der folgenden schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg will Europa für eine umfassende Weltfinanzreform kämpfen.
Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy lobte die gemeinsamen Gipfelbeschlüsse. "Ich glaube, es ist ein guter Text", sagte er. "Ganz Europa will beim Gipfel in London ambitionierte Ergebnisse. Das war nicht von vorneherein klar."
Großbritanniens Premier Gordon Brown forderte beim Bau einer neuen Weltfinanzarchitektur eine "Führungsrolle" für Europa. "Wir sind uns einig, systematisch alle wichtigen Institutionen wie Hedge-Fonds in die Aufsicht einzuschließen", sagte er. Großbritannien gehörte bis vor kurzem zu den strikten Gegnern regulierter Märkte.
IWF soll Feuer löschen
Beim Gipfel der Gruppe der 20 wichtigsten Volkswirtschaften (G20) wird Europa einen Forderungskatalog vorlegen. Das Kapital des IWF soll auf 500 Milliarden US-Dollar verdoppelt werden. Diese Mittel kann der Fonds Ländern in Zahlungsschwierigkeiten als Kredithilfen zur Verfügung stellen.
Falls dabei Deutschland bei bereits bestehenden Mechanismen mitzieht, müssten zusätzlich rund 15 Milliarden Euro der Bundesbank in Washington hinterlegt werden, berichteten Diplomaten. Dadurch wird aber nicht der Bundeshaushalt belastet. Außerdem soll die Institution mehr Macht bekommen, um als eine Art Weltfinanz-Feuerwehr die Märkte zu überwachen.
5 Milliarden für die Konjunktur
Kredite aus dem EU-eigenen "Notfallfonds" sollen Mitgliedern wie Rumänien zu gute kommen, die in Zahlungsschwierigkeiten stecken. Die eher wirtschaftsschwachen Mitglieder unter den 27 Partnern dürften auch massiv von fünf Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramm der EU profitieren. Die "Chefs" hatten sich am Donnerstagabend nach monatelangem Streit auf das Programm geeinigt. Vier Fünftel der Mittel sollen in den Ausbau grenzübergreifender Gas- und Stromleitungen sowie alternativer Energien fließen.
Auf schnelle Investitionen hatte vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel gedrungen. Da das gemeinsame Paket aus EU-Haushaltsgeldern bestritten wird, muss Deutschland als größter Brüsseler Nettozahler rund eine Milliarde Euro dafür aufbringen.
Schnelles Internet
Nach Angaben von Merkel erhielt Deutschland Zusagen, dass es eine "geringere Regulierung" geben solle beim Bau von Breitbandkabelnetzen im ländlichen Raum.
Konkret geht es um die sogenannte Risikoteilung. So soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Deutsche Telekom investiert und andere Wettbewerber - etwa Vodafone - sich am Risiko beteiligen. Ausdrücklich betonten die "EU-Chefs" aber in ihren Schlussfolgerungen, dass die Wettbewerbsstruktur des Telekommarktes und das Diskriminierungsverbot eingehalten werden müssen. Damit ist ausgeschlossen, dass etwa die Deutsche Telekom und Vodafone gemeinsam in neue Glasfasernetze investieren und anschließend das Netz anderen Diensteanbietern vorenthalten können ("Regulierungsferien").
Östliche Partnerschaft
Insgesamt nehmen die EU-Staaten im Kampf gegen die Krise zusammen rund 400 Milliarden Euro auf nationaler Ebene in die Hand. Das gemeinsame Programm hat also einen vergleichsweise geringen Anteil. Die USA ebenso wie Wirtschaftswissenschaftler, Sozialdemokraten und Gewerkschafter fordern, dass Europa mehr Geld auf den Tisch legt, um den Konjunktureinbruch zu dämpfen.
Zudem beschloss die EU die Gründung einer "Östlichen Partnerschaft" mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine und Weißrussland. Die Staats- und Regierungschefs wollen künftig alle zwei Jahre mit ihren Kollegen der sechs östlichen Staaten zusammentreffen. Die EU will bis 2013 jährlich etwa eine Milliarde Euro in diesen Ländern ausgeben.
Quelle: ntv.de