Politik

Verteidigungstalk bei Illner EVP-Chef Weber fordert Einstieg in europäische Armee

Für Manfred Weber ist klar: Es sollte eine europäische Armee geben.

Für Manfred Weber ist klar: Es sollte eine europäische Armee geben.

(Foto: ZDF und Svea Pietschmann)

Angesichts wachsender militärischer Unsicherheit für Europa fordert der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber den Einstieg in eine europäische Armee. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner spricht er sich gleichzeitig für eine europäische Rüstungsindustrie aus.

Wie geht es weiter mit der Hilfe für die Ukraine? Darüber haben am Donnerstagabend die Gäste in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner diskutiert. Tatsächlich ist unklar, ob die USA dem Land weiter in dem bisherigen Rahmen helfen, vor allem, falls bei den Präsidentenwahlen im November der Republikaner Donald Trump die Mehrheit erringen sollte. Denn in seiner Partei sind die Ukraine-Hilfen umstritten.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber war vor einigen Tagen in der Ukraine. "Die Stimmung, die ich mitnehme, ist Entschiedenheit, ist der Wille, diesen Kampf zu gewinnen, für die eigene Freiheit, für die eigene Demokratie zu streiten", ist sein Resümee. Doch das fällt den Menschen in der Ukraine immer schwerer. Die russische Artillerie-Überlegenheit ist sehr deutlich, die ukrainische Armee braucht dringend Munition.

Die besondere Taurus-Eigenschaft

Das weiß auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag sagt: "Es ist gar keine Frage, dass wir außerordentlich viel tun. Das reicht aber nicht." Das gelte sowohl für die EU als auch für Deutschland.

Die FDP und die Grünen fordern schon lange die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in das Kriegsgebiet, Doch Bundeskanzler Olaf Scholz zögert. Frank Sauer, Sicherheitsexperte an der Bundeswehr-Universität in München, kann sich den Grund dafür nicht vorstellen. Die Marschflugkörper könnten zwar sehr weite Strecken überwinden, doch das könne man durch eine Umprogrammierung der eingebauten Software lösen.

Dennoch haben die Taurus-Waffen eine Besonderheit: den Sprengkopf. Sauer erklärt: "Der kann erkennen, durch was er grade durchfliegt, und er kann auch zählen, welche Schichten von Beton er zum Beispiel schon durchschlagen hat. Und damit kann ich etwas machen, was die anderen Systeme nicht können oder nur mit sehr viel Glück: Der kann die Kertsch-Brücke zerstören."

Die 2018 offiziell eröffnete Kertsch-Brücke, bei uns auch als Krim-Brücke bekannt, ist für die russische Armee von hoher strategischer Bedeutung. Sie verbindet die Krim mit der russischen Provinz Krasnodar und ist zentraler Transportweg für russischen Nachschub in die besetzte Krim. Deswegen haben ukrainische Militärs ihre Zerstörung zum vorrangigen Ziel erklärt. Ein Taurus-Sprengkopf könne zählen, wie viele Betonschichten er bis zum Pfeiler der Brücke durchschlagen müsse und genau an der richtigen Stelle explodieren. "Das wäre eine sehr willkommene Fähigkeit für die Ukraine", erklärt Sauer.

USA kein Dauerbeschützer - Europäische Armee als Alternative

"Europa muss sich warm anziehen", prophezeit Ex-ZDF-Moderator Claus Kleber. Das liegt seiner Ansicht nach vor allem an den USA. Zwar ist er sich sicher: "Trump wird die Wahlen nicht ein zweites Mal gewinnen." Doch darauf käme es gar nicht an. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten in den USA wollten, dass Europa endlich seine Probleme selbst löst.

Diese Forderung sei richtig, sagt Weber. "Es werden dauerhaft 330 Millionen Amerikaner 400 Millionen Europäer verteidigen. Das wird nicht funktionieren. Und darum müssen wir uns jetzt auf die Hinterfüße stellen. Das wird eine ganz große Frage in diesem Europawahljahr sein: Wie kann Europa weiter Frieden garantieren? Und das werden wir nur schaffen, wenn wir jetzt Kräfte bündeln." Es gebe viele Probleme, die auf europäischer Ebene gelöst werden müssten, wie zum Beispiel Cybersicherheit oder ein europäischer Raketenschutzschirm. Dazu müssten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union jedoch den Willen haben, voranzukommen. Den könne Weber nicht erkennen. Deswegen fordert er eine Initiative vom französischen Präsidenten Macron und Bundeskanzler Scholz. Weber: "Das heißt jetzt den Einstieg in eine europäische Armee."

Da trifft er bei Strack-Zimmermann auf offene Ohren. Die von Weber benannten Probleme seien lange bekannt. Aber die Europäische Kommission habe dazu noch keine Initiative ergriffen. "Erst mal braucht die Kommission jemanden, der sich ausschließlich mit dem Projekt europäische Sicherheit beschäftigt", fordert die FDP-Spitzenkandidatin bei den Wahlen zum Europaparlament. Und es brauche eine neue europäische Außenpolitik. "Das heißt auch, wegzukommen von diesem geografischen Blick des jeweiligen Landes." Mit dieser Aufgabe müsse sich auch das Europäische Parlament beschäftigen, fordert Strack-Zimmermann.

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Ursula Schröder vom Institut für Sicherheitsforschung und Friedenspolitik bei der Uni Hamburg hält eine europäische Armee für illusorisch. Sie werde nicht kommen, und jemand, der in der EU-Kommission für Sicherheit zuständig sei auch nicht. "Weil die Regularien der EU das nicht zulassen." Auch eine gemeinsame europäische Rüstungspolitik werde es aus ökonomischen Gründen einiger Länder nicht geben. "Das wird sich nicht ändern, wenn es nicht eine Reform der politischen Institutionen der Europäischen Union gibt."

"Entscheidend ist: Ich glaube, der Gong ist jetzt angekommen", sagt Strack-Zimmermann. Dass die Voraussetzungen verändert werden müssten, sei klar. "Und wenn jetzt die Zeit nicht reif ist – wann dann?"

Quelle: ntv.de

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