Bougainville hat Kupfer und GoldEhemalige deutsche Kolonie will das nächste Land der Welt werden - und hofft auf die USA

Die Welt bekommt womöglich schon bald ein neues Land. Nächstes Jahr will sich Bougainville endgültig von Papua-Neuguinea loslösen. Für die USA und China ist die ehemalige deutsche Kolonie besonders interessant.
Mit mehr als 20 Jahren Verspätung stimmen die Bürger der Pazifikinsel Bougainville im Jahr 2019 für ihre Unabhängigkeit. Die Zustimmung für ein eigenständiges Bougainville und damit für die Loslösung von Papua-Neuguinea fällt riesengroß aus: Fast 98 Prozent der Bevölkerung wollen einen eigenen Staat gründen.
Zu diesem Zeitpunkt war längst Frieden auf der Insel eingekehrt. Der blutige Bürgerkrieg zwischen der Revolutionsarmee von Bougainville und der regulären Armee von Papua-Neuguinea tobte knapp zehn Jahre lang. Von Ende der 1980er Jahre an. Schätzungsweise bis zu 20.000 Menschen starben. Im Oktober 1997 wurde eine Waffenruhe vereinbart. Im Januar 1998 unterschrieb die Zentralregierung von Papua-Neuguinea einen vorläufigen Friedensvertrag. Die Revolutionäre hatten den Regierungssoldaten in den Monaten zuvor mehrere empfindliche Niederlagen zugefügt.
Im endgültigen Friedensvertrag bekam Bougainville 2001 den Status einer autonomen Provinz innerhalb von Papua-Neuguinea zugesprochen. 2019 gab es das Referendum über die vollständige Unabhängigkeit vom Mutterland. Bougainvilles Präsident Ishmael Toroama, früher Kommandeur der Rebellen, will seine Insel im September 2027 in die Unabhängigkeit schicken.
"Schlüssel könnte im Boden der Insel liegen"
Auf dem Weg zur Staatsgründung gibt es aber zwei zentrale Probleme: Papua-Neuguinea hat das Ergebnis des Referendums bis heute nicht anerkannt. Bougainville hat außerdem nicht die wirtschaftlichen Mittel, um selbstständig die Eigenständigkeit auszurufen, denn ein neues Land zu gründen, ist vor allem eins: teuer.
Bougainville ist winzig. Die Insel misst etwa 8800 Quadratkilometer. Das ist etwa halb so groß wie Thüringen.
Auch die Wirtschaftskraft von Bougainville ist entsprechend klein. Die Region erwirtschaftet weniger als eine Milliarde US-Dollar pro Jahr. Die nennenswerten Einnahmequellen sind Kakaobohnen und Kokosnüsse. Für einen unabhängigen Staat ist das viel zu wenig. Doch auf der Südseeinsel schlummert ein begehrter Schatz: "Der Schlüssel könnte im Boden der Insel liegen", heißt es in der Fachzeitung Journal für Internationale Politik und Gesellschaft (IPG). "In der seit 1989 stillgelegten Panguna-Mine."
Die Kupfer- und Goldmine hat eine bewegte Geschichte. Vor 36 Jahren wurde sie stillgelegt. Damals war sie der Auslöser für den Bürgerkrieg in Bougainville. Der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto hatte über Jahre hinweg die Rohstoffe weggebaggert. Die Gewinne flossen aber nur zu einem winzigen Teil an die Bevölkerung der Insel. Das war eigentlich anders abgemacht.
Heutzutage könnte die stillgelegte Mine der Insel die Unabhängigkeit von Bougainville finanzieren. Branchenexperten schätzen, dass noch über 5 Millionen Tonnen Kupfer und rund 550 Tonnen Gold im Boden schlummern. Der Wert wird in der Branche auf mindestens 80 Milliarden Dollar geschätzt.
Nur drei neue Länder seit der Jahrtausendwende
Aber wer hebt das Kupfer und Gold? Präsident Toroama setzt auf die Unterstützung von Donald Trump. Bougainville hofft, dass der US-Präsident die Insel wirtschaftlich unterstützt, wenn amerikanische Unternehmen die Schürfrechte an der Panguna-Mine erhalten. Außerdem bietet der bougainvillanische Präsident Toroama den USA an, dass sie einen Militärstützpunkt auf der Insel errichten können.
Toroama weiß, wie entscheidend die Unterstützung aus Washington sein kann. Nur drei Länder haben in diesem Jahrtausend die Unabhängigkeit erlangt: Osttimor in Südostasien, Montenegro in Südosteuropa und Südsudan in Ostafrika. Alle hatten eins gemeinsam: Sie hatten die Unterstützung der USA.
193 Länder gibt es derzeit auf der Welt. So viele Mitglieder haben die Vereinten Nationen. Hinzu kommen zwei Beobachter: Vatikanstadt und Palästina. Bougainville will das 194. Mitgliedsland werden.
74-Jähriger Risikoinvestor als Mittelsmann
Hilft das Weiße Haus? Lässt sich Trump von einer kleinen Südseeinsel locken? Fraglich, dass das Thema auf dem Schreibtisch des US-Präsidenten in einer der oberen Schubladen liegt. Derzeit beschränke sich der Kontakt zwischen Bougainville und Washington auf einen amerikanischen Risikokapitalinvestor und Romanautor, schreibt das Onlineportal "The World".
John Kuhns ist 74 Jahre alt, lebt seit einigen Jahren in Bougainville, ist Harvard-Absolvent und hat gute Kontakte ins Weiße Haus. Er will mit seinem Unternehmen Numa Numa Resources den Bergbau auf Bougainville wieder ankurbeln. Es wäre der wichtigste Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit, die USA als Unterstützer zu gewinnen, sagt Kuhns im Podcast "Mining News Wire": "Kein Bergbauunternehmen wird dort hingehen und mehrere Milliarden Dollar investieren, ohne die Unterstützung des einzigen Landes der Welt, das ihnen Sicherheit geben kann."
Kuhns hat einen Plan ausgearbeitet: Ausländische Bergbaufirmen baggern die Rohstoffe ab, die Gewinne gehen zur Hälfte an die Einheimischen. Der Investor ist überzeugt: Dann könnte ein funktionierendes Land entstehen. Dann wäre Geld vorhanden, um ein Stromnetz zu bauen, das nicht ständig zusammenbricht. Und Straßen, die nicht aussehen wie Kraterlandschaften. Und richtige Krankenhäuser. Bisher gibt es nämlich lediglich zehn Arztpraxen auf der Insel.
Deutsche Kolonie vor dem Ersten Weltkrieg
Präsident Toroama hofft, dass Risikoinvestor Kuhns seinen Einfluss in Washington geltend machen kann. Bougainville habe viel zu bieten, wird Toroama im Onlineportal "The World" zitiert. "Eine perfekte Ergänzung für Team Amerika", argumentiert die Regierung von Bougainville.
Bougainville ist eine vergleichsweise gut funktionierende parlamentarische Demokratie, mit flachen Hierarchien. Die Insel ist aufgeteilt in verschiedene Stämme und Familienclans. Englisch ist weit verbreitet unter den 250.000 Einwohnern. Fast alle Inselbewohner sind Christen, die meisten Katholiken. Das geht unter anderem auf deutsche Missionare Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. In der Zeit war Bougainville eine deutsche Kolonie, als Teil von Deutsch-Neuguinea in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Amerikanische Missionare beschleunigten Anfang des 20. Jahrhunderts die Ausbreitung des Christentums.
Aber der wichtigere Grund für amerikanisches Interesse, so hofft die Regierung von Bougainville, schlummert im Boden. Rohstoffe, die für Hochtechnologie und damit für das Silicon Valley entscheidend sind. "Die Vereinigten Staaten wären verrückt, wenn sie diese Gelegenheit verstreichen lassen", sagt Kuhns.
Auch militärstrategische Gründe würden für ein amerikanisches Engagement sprechen, ist der Investor überzeugt. "Bougainville liegt direkt an der Frontlinie zur Volksrepublik China und zur Kommunistischen Partei Chinas."
Bougainville? Strategisch wichtig, auch für China
Um die militärische Dominanz in der Südsee zu erlangen, ist jede Insel wichtig. Egal, wie klein sie ist. Wer die Seewege um Bougainville kontrolliert, könnte eines Tages im Vorteil sein, ist Kuhns überzeugt.
Aber ewig will Präsident Toroama nicht auf die Amerikaner warten. Er hat schließlich die Unabhängigkeit bis 2027 ausgerufen. Viel Zeit hat er nicht mehr, um das Ziel zu erreichen. Papua-Neuguinea hat das Referendum aber immer noch nicht ratifiziert. "Wenn niemand zuhört, habe ich noch eine weitere Karte zu spielen", sagt Toroama gegenüber "The World". Auf dieser Karte steht China. Und er droht an: "Ich kann diese Karte spielen."
China ist der Gegenspieler der USA im Südpazifik. Auch Peking möchte die Seewege kontrollieren. Das ist militärisch wichtig, aber auch wirtschaftlich. Und Peking investiert sogar schon in Bougainville: China hat die Verlängerung der Start- und Landebahn des Inselflughafens finanziert und gebaut. Donald Trump muss sich beeilen, wenn er Bougainville an der Seite der USA halten will.