Politik

Neuer Anlauf für Hartz-IV-Reform Ein Scheitern ist möglich

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil unterhalten sich vor Beginn der Arbeitsgruppensitzung.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil unterhalten sich vor Beginn der Arbeitsgruppensitzung.

(Foto: dpa)

Bei der überfälligen Hartz-IV-Reform mit dem Bildungspaket für bedürftige Kinder schließen Opposition wie Koalition auch ein Scheitern nicht mehr aus. Auch bei der dritten Verhandlungsrunde von Bund und Ländern gibt es keine Annäherung. Die Gespräche gehen zwar weiter, doch der Ausgang ist ungewiss.

Die Suche nach einem Hartz-IV-Kompromiss tritt auf der Stelle. Konkrete Fortschritte stehen immer noch aus. "Die Gespräche sind richtig festgefahren", sagte ein Verhandlungsmitglied der Opposition nach Beratungen in Berlin. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe legten Union und FDP keine Vorschläge für Kompromisse bei der Erhöhung des Arbeitslosengeldes II, zum Bildungspaket für Kinder und zur Regulierung der Zeitarbeit vor. Auch die Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag brachte in der Sache keine Fortschritte. Das Gremium vertagte seine Beratungen auf dem 27. Januar. Die Gespräche der Arbeitsgruppe sollen voraussichtlich am kommenden Montag fortgesetzt werden.

Konflikte gibt es vor allem beim Zeitarbeit-Mindestlohn, bei dem sich Union und FDP noch nicht einig sind. Die Angebote beim Bildungspaket gehen der Opposition noch nicht weit genug. Beim Hartz-IV-Regelsatz soll weiter gerechnet werden.

Scheitern nicht ausgeschlossen

Im "Bunten Kaufhaus" in Oldenburg kaufen Hartz-IV-Empfänger und andere Menschen mit geringem Einkommen ein.

Im "Bunten Kaufhaus" in Oldenburg kaufen Hartz-IV-Empfänger und andere Menschen mit geringem Einkommen ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte: "Die Opposition muss nicht Ja sagen. Wir sind nicht bereit, einer Regelung zuzustimmen, in der wir uns nicht wiederfinden. Wir sind kompromissbereit, aber nicht um jeden Preis", sagte Oppermann. Sein Amtskollege von der Union, Peter Altmaier (CDU), warnte die Opposition davor, den Bogen zu überspannen. Der haushaltspolitische Spielraum der Bundesregierung für eine Neuregelung sei begrenzt.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht die Verhandlungen "wie bei einem Marathon jetzt auf dem letzten Kilometer". Wichtig sei vor allem für die Kinder, die auf das Bildungspaket warteten, "jetzt Strecke zu machen", sagte sie bei n-tv. "Wir haben ganz verfassungsfeste Berechnungen vorgelegt, das bestreitet übrigens keiner mehr inzwischen."

SPD widerspricht

Die SPD widerspricht dieser Aussage. "Ich weiß nicht, wie Frau von der Leyen dazu kommt, zu behaupten, dass niemand mehr bestreitet, dass ihre Berechnungen verfassungsfest sind", sagte Fraktionsvize Elke Ferner n-tv.de. Sie bleibe bei ihrer Kritik an den "methodischen Fehlern" des Gesetzes.#

Von der Leyen lehnte erneut Forderungen von Sozialverbänden nach einer Erhöhung des Regelsatzes um monatlich 35 Euro auf 394 Euro ab. "Man muss sich nur vorstellen, was das bedeutet", sagte sie bei n-tv. "Das heißt: Automatisch werden 400.000 Menschen in Hartz IV reingezogen, also wir haben plötzlich statistisch mehr Hartz-IV-Empfänger." Das würde 2,9 Milliarden Euro kosten, so die CDU-Politikerin, von denen 1,2 Milliarden auf die Kommunen entfallen würden. "Und da stelle ich die Frage: Wenn unsere Berechnungen verfassungsfest sind, warum hier mehr Geld ausgeben ohne Not, anstatt eigentlich den Grundgedanken zu verfolgen: Die Leute kommen nur raus aus Hartz IV, wenn sie auf eigenen Beinen stehen, das heißt, wenn sie in Arbeit vermittelt werden." Die Regierung plant eine Anhebung um 5 Euro auf 364 Euro.

Existenzminimum nicht nach Kassenlage

Wegen der Klagewelle gegen Hartz-IV-Bescheide musste die Zahl der Richter erheblich aufgestockt werden.

Wegen der Klagewelle gegen Hartz-IV-Bescheide musste die Zahl der Richter erheblich aufgestockt werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig wies Anwürfe aus der Koalition zurück, die SPD habe mit Maximalforderungen in Milliardenhöhe die Verhandlungen erschwert: "Das sind Nebelkerzen". Für jede Forderung der Opposition gebe es einen konkreten Deckungsvorschlag. Der Hinweis auf die Kassenlage des Bundes öffne beim Regelsatz "Tür und Tor für neue Verfassungsklagen". Das Gericht habe mit seinem Hartz-IV-Urteil ein Existenzminimum nach sauberer Berechnungsgrundlage verlangt - und nicht nach der jeweiligen Kassenlage des Bundes.

Hauptstreitpunkt ist dabei nach wie vor die Oppositionsforderung nach einem Mindestlohn für die Zeitarbeit sowie die Umsetzung des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" - möglichst schon nach einer vierwöchigen Probezeit der Leih-Arbeitnehmer. Oppermann nannte das FDP-Ansinnen, dies erst nach zwölf Monaten wirksam werden zu lassen, "zynisch". Nach Schwesigs Worten sind über 60 Prozent der Leiharbeiter weniger als drei Monate bei demselben Unternehmen beschäftigt.

Sie betonte, die SPD strebe noch immer eine Einigung vor der nächsten Bundesratssitzung am 11. Februar an. Wahltermine seien für ihre Partei dabei nicht entscheidend. Am 20. Februar wird in Hamburg gewählt.

Klageflut droht

Kommt es im Vermittlungsausschuss zu keiner Einigung über das bereits vom Bundestag verabschiedete Gesetz, werden zahlreiche Einzelklagen von Betroffenen und Sozialverbänden befürchtet. Das Verfassungsgericht hatte im Februar 2010 vom Gesetzgeber eine transparente Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze sowie bessere Bildungschancen für die 2,1 Millionen Kinder aus Hartz-IV-Familien bis zum 1. Januar 2011 verlangt. Die Neuberechnung liegt seit dem 17. Dezember auf Eis: Die SPD-geführten Länder hatten die Reform zusammen mit den Grünen in der Länderkammer gestoppt. Seither wird in Arbeitsgruppen um einen Kompromiss gerungen.

Quelle: ntv.de, hdr/hvo/mli/dpa/rts/AFP

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