Politik

Zwischenruf Ein "Weiter so!" reicht nicht

Lediglich Stanislaw Tillich konnte in Sachsen sein Ergebnis nahezu halten.

Lediglich Stanislaw Tillich konnte in Sachsen sein Ergebnis nahezu halten.

(Foto: dpa)

Der Ausgang der Landtagswahlen in Thüringen, im Saarland und in Sachsen hat gezeigt: Ein "Weiter so!" kann es für die Union, namentlich die CDU, nicht geben. Das ist das bundespolitische Signal der Landesurnengänge. Immerhin waren knapp 21 Millionen von insgesamt etwas mehr als 62 Millionen Wahlberechtigten an die Urnen gerufen. Verluste allenthalben, auch wenn die Christdemokraten stärkste Kraft geblieben sind. Lediglich der bodenständige Sachse Stanislaw Tillich büßte nur einen guten Prozentpunkt ein. Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat scheint passé.

Angela Merkel muss die lächelnd-beliebige Siegesgewissheit gegen eine lächelnd-aggressive Darstellung eigener Positionen tauschen. Sonst laufen ihr noch mehr Wähler zu den Liberalen über. Das kann zwar trotzdem noch eine Koalition auf Bundesebene ermöglichen. Aber eine immer stärkere FDP kann der Union mehr Neoliberalismus aufzwingen, als deren Arbeitnehmerwählerschaft zu akzeptieren bereit ist. Der in den vier bis zu den Bundestagswahlen verliebenden Wochen zu erwartende Streit im bürgerlichen Lager ist deshalb mehr als eine "drôle de guerre". Die FDP, allen voran ihr Vorsitzender Guido Westerwelle, kann sich ein weiteres Jahrzehnt in der Opposition nicht leisten. Dazu wird der Wortgewaltige sogar bereit sein, einem durchaus möglichen Bündnis aus SPD und Grünen beizutreten.

Der von den sozialdemokratischen Spitzenmännern Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering zur Schau gestellte Optimismus mutet an wie das berühmte Pfeifen im Walde. Ihnen hängen die Agenda 2010, Hartz IV und die Rente mit 67 wie Mühlsteine um den Hals. Dass sich die beiden als Hauptmitverantwortliche davon distanzieren, ist nicht zu erwarten. Wenn sich am 27. September eine Konstellation ergibt, welche die Sozialdemokraten in eine abermalige Große Koalition "zwingt", dann macht sich die Partei selbst überflüssig. Am Ende des Niedergangs der ältesten deutschen Partei stünden dann die (Wieder-) Vereinigung mit der Linken zur Sozialistischen Partei Deutschlands und eine sozial-liberale Kleinpartei.

Das Resultat der Linken an der Saar ist maßgeblich der Person Oskar Lafontaines geschuldet.

Das Resultat der Linken an der Saar ist maßgeblich der Person Oskar Lafontaines geschuldet.

(Foto: dpa)

Kein Zweifel besteht daran, dass sich die Linke endgültig im deutschen Parteienspektrum etabliert hat. Das Resultat an der Saar ist sicher maßgeblich der Person Oskar Lafontaines geschuldet. Doch Parteien vermitteln sich nun einmal auch über Gesichter. Deshalb: Der behäbig-hilflos wirkende linke sächsische Spitzenmann André Hahn ist ein Grund für die Verluste zwischen Niederlausitz und Erzgebirge. Die Fraktionsspaltung im Dresdener Stadtrat wegen des Verkaufs der kommunalen Wohnungen ein weiterer. Die Linke in Sachsen sollte sich schleunigst einen neuen Frontmann suchen. Sollte Bodo Ramelow in Thüringen auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichten, macht er sich und seine Partei unglaubwürdig. Schließt die SPD in Sachsen und Thüringen ein Regierungsbündnis mit der CDU, riskiert sie dort mittelfristig ein Dasein als Splitterpartei.

Die Grünen haben bewiesen, dass sie auch im Osten ein Wörtchen mitzureden haben. Sie sind nicht nur in den beiden neuen Bundesländern, sondern auch an der Saar das Zünglein an der Waage. Und können es im Bund werden. Da steht die Partei vor einer Zerreißprobe zwischen einer Basis, die SPD und Linken zuneigt und Spitzen, die es gern einmal auch à la hambourgoise versuchen würden.

Deutschland stehen vier spannende Politwochen bevor. Selbst, wenn Michael Schumacher doch noch antritt oder Beckers Boris auf einer Bananenschale ausrutscht.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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