Terroristen als nette Jungs von nebenan "Einsame Wölfe" bekommen Hilfe
02.08.2012, 13:49 Uhr
Der Anschlag auf Soldaten in Frankfurt im Frühjahr 2011 - mit Unterstützung?
(Foto: picture alliance / dpa)
Wie handeln Terroristen? In einer Langzeitstudie kommt ein israelischer Wissenschaftler zum Ergebnis: Der internationale Terror hat sich verändert, das zeige auch der Anschlag von Frankfurt. Inzwischen unterstützten Organisation wie Al-Kaida "einsame Wölfe" - vermeintliche Einzeltäter. Die Geheimdienste müssten umdenken.
Professor Gabriel Weimann der Universität von Haifa hat zehn Jahre lang im Internet das Phänomen der "einsamen Wölfe" erforscht und nun seine Ergebnisse vorgestellt. "Einsame Wölfe" sind Terroristen, die keiner bekannten Organisation angehören und gemäß einer Warnung von US-Präsident Barack Obama eine der größten Gefahren für die westliche Welt.
Das Fazit des Kommunikationswissenschaftlers: Die gefährlichen Personen sind mit herkömmlicher geheimdienstlicher Überwachung kaum rechtzeitig auszumachen. Weimann stellte fest, dass die Terroristen, manchmal auch "Schläfer" genannt, in sozialen Netzwerken jedoch durchaus mit Gleichgesinnten kommunizieren und sich beraten lassen. Dort fänden die "einsamen Wölfe" dann doch ihr "Wolfsrudel".
Agenten in London?
Besondere Aktualität erhielt dieses Phänomen vor den Olympischen Spielen in London, wo Terroranschläge befürchtet wurden, ohne dass es konkrete Hinweise gab. Trotzdem reisten vor Beginn der Spiele angeblich mehrere israelische Agenten nach London, um sich auf die Suche nach "einsamen Wölfen" zu machen.

In Bagdad wurden in den vergangenen Wochen Dutzende Anschläge verübt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ihre Anzahl sei in den letzten Jahren deutlich gewachsen. "Vielleicht können wir Terrorattacken von 'einsamen Wölfen' besser verhindern, wenn wir die Radikalisierung von Meinungen im Internet überwachen und dabei verfolgen, wie einzelne Personen rekrutiert und trainiert werden", schlägt Weimann vor.
Die Schwierigkeit für die Ermittler ist vor allem ihre Autonomie. Sie handeln alleine, beeinflusst durch radikale Ideologien, gehören keiner Organisation an und sind keiner Hierarchie unterworfen, so der Experte. Hinzu komme, dass sie nicht einem speziellen Sektor in der Gesellschaft angehören, sondern eher dem "netten Jungen von nebenan" gleichen.
30 Jahre Terror
Bei einer statistischen Auswertung von Terroranschlägen zwischen 1982 in Beirut, wo die ersten Selbstmordattentate stattfanden, bis 2001 ergab sich, dass ausnahmslos alle Anschläge in Tschetschenien, Sri Lanka, im Nahen Osten und anderswo von Organisationen wie Al-Kaida, Hamas, den Tamilen oder anderen initiiert, finanziert und organisiert worden waren. Im Anschluss an Terroranschläge im Nahen Osten wurden zudem Bekennerbriefe und Videos der verantwortlichen Organisationen verbreitet.
Seither hat Weimann verschlüsselte und offene Webseiten internationaler Terrororganisationen verfolgt und zusätzlich Seiten von Unterstützern, Foren, Videos und sonstige Informationsquellen im Internet analysiert. Weimann entdeckte im Zeitraum der vergangenen zehn Jahre, dass die "einsamen Wölfe" zu eben jenen Terrororganisationen Kontakt halten und über Foren Unterstützung erhalten.
Soziale Netzwerke böten Anerkennung durch Andere, die ihre Ideale teilen, mit denen sie Rücksprache halten und bei denen sie sich Ratschläge einholen können.
"Wölfe" als Beispiele
Weimann liefert in seiner Untersuchung Beispiele von Terroristen, die vermeintlich alleine gehandelt hätten. Wie etwa der US-amerikanische Offizier Nidal Hassan, der dreizehn US-amerikanische Soldaten erschossen hatte. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass er über das Internet Kontakt mit einem bekannten Terroristen hatte.
Der junge Bosnier Arid Uka, der in Frankfurt US-Soldaten erschossen hat, war bei Facebook der "Freund" bekannter islamischer Extremisten. Und unmittelbar nach der Tötung von Mohamed Merah durch die Polizei in Toulouse, wo der aus Algerien stammende junge Mann vier Juden vor einer jüdischen Schule ermordet hatte, beobachtete Weimann, wie Forenbesucher von Dschihadisten, den Kämpfern des "Heiligen Krieges", die Tat Merahs verherrlichten und zu ähnlichen Taten aufriefen. Inzwischen ist eine ähnliche Seite bei Facebook gesperrt worden, auf Betreiben der französischen Regierung. 500 "Freunde" hatten sich zuvor eingetragen.
Weimanns Empfehlung an Geheimdienste und Verfassungsschützer: solche Foren intensiver überwachen und Gesetze ändern, um im Verdachtsfall zugreifen zu können.
Quelle: ntv.de