Politik

Hartz-IV-Gesetz noch nicht beschlossen Elterngeld bereits gekürzt

Die Bundesregierung will den Hartz-IV-Empfängern die 300 Euro Elterngeld streichen.

Die Bundesregierung will den Hartz-IV-Empfängern die 300 Euro Elterngeld streichen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger wird bereits gekürzt, obwohl die Regelung noch gar nicht beschlossen ist. Nach einem Medienbericht wollen die Arbeitsagenturen damit den Verwaltungsaufwand gering halten. Allerdings müssen Bundestag und Bundesrat dem Gesetz noch zustimmen, die Kommunen halten das deshalb für "rechtswidrig".

Die Bundesagentur für Arbeit setzt die von der Bundesregierung geplante Kürzung des Elterngelds bei Hartz-IV-Empfängern offenbar bereits um, obwohl Bundestag und Bundesrat den Gesetzesänderungen noch gar nicht zugestimmt haben. Die BA habe bereits Mitte September begonnen, die geplanten Rechtsänderungen in allen laufenden Fällen zu berücksichtigen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Von Hartz IV abhängige Eltern bekämen zum Beispiel Bescheide mit dem Hinweis, dass das Elterngeld "ab 01.01. 2011" gestrichen werde.

Nach Angaben der BA werden die Jobcenter bis Ende des Jahres mehr als 300.000 Bescheide versenden, in denen die vorgesehenen Rechtsänderungen bereits vorweggenommen werden. Eine Behördensprecherin sagte, die Bundesagentur für Arbeit wolle den Verwaltungsaufwand "möglichst niedrig halten". Außerdem werde so vermieden, dass 2011 zu viel bezahlte Leistungen zurückgefordert werden müssten. Insgesamt verschickt die BA jährlich etwa 27 Millionen Bescheide an Hartz-IV-Empfänger.

Kürzungen noch nicht beschlossen

Hartz-IV-Empfänger mit Anspruch auf Elterngeld und ohne Zusatztätigkeit sollen künftig die 300 Euro im Monat nicht mehr zusätzlich zum Regelsatz von derzeit 359 Euro bekommen. Die Koalition will Jobsuchenden das Übergangsgeld beim Wechsel von Arbeitslosengeld I zu Hartz IV streichen. Außerdem erhalten Selbstständige, die privat rentenversichert und zu Hartz-IV-Empfängern geworden sind, keinen Zuschuss mehr für ihre Altersvorsorge. Noch sind die Kürzungen nicht in Kraft getreten.

Arbeitsministerin von der Leyen muss ihre Neuregelungen noch durch Bundestag und Bundesrat bringen.

Arbeitsministerin von der Leyen muss ihre Neuregelungen noch durch Bundestag und Bundesrat bringen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Sparpaket der Bundesregierung muss nämlich noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Im Bundesrat aber hat das schwarz-gelbe Regierungslager keine Mehrheit, und die Opposition hat bereits Widerstand angekündigt. Während das Bundesarbeitsministerium das Vorgehen der BA unterstützt, halten Interessenvertreter der Kommunen es laut "Süddeutscher Zeitung" für "rechtswidrig". Der Deutsche Städtetag habe beim Bundesarbeitsministerium protestiert. Die Kommunen sind für die Bescheide mitverantwortlich, weil sie Leistungen für Unterkunft und Heizung an die Hartz-IV-Empfänger gewähren. Sie befürchteten zahlreiche Widerspruchs- und Klageverfahren.

Kritik kommt auch von der Opposition: Brigitte Pothmer, Arbeitsmarktexpertin der Grünen, wirft dem Arbeitsministerium vor, die gesetzgebenden Gremien übergangen zu haben. "Fakt ist, dass weder Parlament noch Bundesrat über die Pläne von Ministerin Ursula von der Leyen entschieden haben. Bis das nicht passiert ist, ist es rechtswidrig, wenn die Jobcenter vorauseilend den Regierungswillen ausführen und damit Fakten schaffen", sagte Pothmer.

Ein bisschen mehr Zuverdienst

Derweil hat sich eine Expertengruppe von Union und FDP auf neue Hinzuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Bezieher verständigt, wie ein Sprecher von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bestätigte. Die Neuregelung kommt nur einer Mini-Reform gleich. Für Hartz-IV-Bezieher mit einem Monatseinkommen bis 800 Euro ändert sich den Angaben zufolge gar nichts. Von jedem darüber hinaus hinzuverdienten Euro bis zu einer Grenze von 1000 Euro bleiben Hartz-IV-Beziehern künftig aber 20 statt bisher zehn Cent.

Von einem Zuverdienst zwischen 800 und 1000 Euro bleiben künftig bis zu 20 Euro mehr übrig als bislang. Bis 800 Euro bleibt es dabei, dass die ersten 100 Euro in voller Höhe beim Hartz-IV-Bezieher bleiben und zwischen 100 und 800 Euro 80 Prozent abgezogen werden. Von einem Zuverdienst von 800 Euro werden somit wie bisher 240 Euro nicht vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Das über 1000 Euro hinausgehende Einkommen wird künftig in voller Höhe vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Bisher galt bis 1200 Euro ein Freibetrag von zehn Prozent. Durch die geringeren Abzüge zwischen 800 und 1000 Euro werden Zuverdienste über 1000 Euro aber unter dem Strich nicht schlechter gestellt.

Die Spitzenrunde mit den Generalsekretären von CDU, CSU und FDP sowie Vertretern des Kanzleramtes und des Finanzministeriums und Arbeitsministerin von der Leyen sehe diesen Vorschlag als "Einstieg in eine Reform der Erwerbstätigenfreibeträge" für Hartz-IV-Bezieher, sagte von der Leyens Sprecher. In das Gesetz solle ein Prüfklausel aufgenommen werden, dass die Wirkung der geplanten Änderungen im Jahr 2012 überprüft werde und unter Umständen Korrekturen vorgenommen würden. Beschlossen werden soll die Neuregelung von einer Koalitionsrunde am 16. Oktober, sodass die Änderung rechtzeitig zum Kabinettsbeschluss über die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze am 20. Oktober in den Gesetzentwurf eingebaut werden kann.

Zahl der Aufstocker steigt

Die FDP hatte sich dafür stark gemacht, niedrige Zuverdienste sehr viel stärker auf die Grundsicherung anzurechnen, um sie unattraktiv zu machen. Dafür sollten höhere Hinzuverdienste noch stärker von der Anrechnung freigestellt werden. Von 200 Euro Hinzuverdienst wollte die FDP zunächst nur 40 Euro unangetastet lassen. Dieses Vorhaben wurde aber fallen gelassen.

Derzeit gibt es fast 1,4 Millionen erwerbstätige Hartz-IV-Bezieher. Gut die Hälfte dieser Aufstocker - rund 740.000 - verdient weniger als 400 Euro im Monat. Ursprünglich wollte die Koalition vor allem geringe Zuverdienste stärker mit dem Arbeitslosengeld II verrechnen, um einen Anreiz für eine Ausweitung der Arbeit zu setzen. Kanzleramtschef Ronald Pofalla hatte aber die Vorgabe ausgegeben, dass der Grundfreibetrag von 100 Euro nicht wie ursprünglich geplant gekürzt werde. Angesichts der Debatte über eine Anhebung der Regelsätze um fünf Euro will die Koalition eine Schlechterstellung von Zuverdienern vermeiden.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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