Israel vor dem Ziel Ende der Offensive nah?
11.01.2009, 14:17 UhrEin Ende der israelischen Offensive im Gazastreifen scheint nach Worten von Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai nah. Die Forderungen des UN-Sicherheitsrates ließen Israel nicht viel Spielraum, und deshalb habe es den Anschein, "dass wir kurz vor dem Ende des Bodeneinsatzes und vor einem Ende des Einsatzes insgesamt stehen", sagte Vilnai im Rundfunk. Die am 27. Dezember begonnene Offensive "hat es uns ermöglicht, Ziele zu erreichen, von denen niemand vor zwei Wochen zu träumen gewagt hätte". Was die im Gazastreifen herrschende Hamas angehe, so habe diese noch immer nicht verstanden, was passiert sei. Sie werde das erst begreifen, wenn sie wieder aus ihrem Versteck hervorkomme.
Regierungschef Ehud Olmert hatte zuvor gesagt, zwar nähere sich Israel den Zielen, die es sich mit der Offensive "Operation Gegossenes Blei" gesetzt habe. Dennoch würden die Kämpfe noch eine Zeit lang weitergehen. Olmert rief zum Auftakt der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem die Israelis zu Geduld und Entschlossenheit auf. Man dürfe in der letzten Minute nicht das verlieren, was zuvor in einer beispiellosen Anstrengung des ganzen Landes erreicht worden sei, sagte er. Nach den Worten von Verteidigungsminister Ehud Barak setzt Israel seine Militäroperation fort, auch wenn die diplomatischen Optionen geprüft würden.
Einmarsch in Gaza-Stadt
Inzwischen sind israelische Bodentruppen weiter in die Stadt Gaza vorgedrungen. Nach Augenzeugenberichten rollten israelische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge etwa einen Kilometer tief in den Süden der Stadt vor. In dem Scheich Adschlin-Viertel in Küstennähe sei es zu heftigen Kämpfen mit militanten Palästinensern gekommen, hieß es.
Zuvor waren bei israelischen Angriffen an verschiedenen Orten im Gazastreifen insgesamt 12 Palästinenser getötet worden, darunter 6 bei einem Luftangriff in Bet Lahia. Am Samstag wurden nach palästinensischen Krankenhausangaben mehr als 30 Menschen getötet. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Toten seit dem 27. Dezember nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza auf mehr als 850, mehr als 3500 seien verletzt worden.
Erneut verkündete die Armee am Sonntag eine dreistündige Feuerpause für den Gazastreifen, um Hilfslieferungen in das umkämpfte Palästinensergebiet zu lassen. Ungeachtet dessen waren weiterhin Explosionen aus dem Norden des Gazastreifens zu hören. Augenzeugen berichteten, im Osten der Stadt Gaza und in Dschabalija habe es weiter Artilleriebeschuss gegeben. Israel hatte bisher immer erklärt, dass auch in Zeiten der Feuerpause auf gegnerisches Feuer "geantwortet" werde.
UN-Hilfskonvois rollen wieder
Das UN-Hilfswerk für die Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) bringt wieder Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung in den Gazastreifen. Insgesamt 50 Lastwagen sollten am Sonntag in den von Israel seit zwei Wochen beschossenen Mittelmeerstreifen fahren, sagte UNRWA-Sprecher Chris Gunness in Jerusalem. Außerdem sollen auch wieder von den Menschen benötigte Waren von Lagerhäusern innerhalb des Gazastreifens zu den Verteilungszentren gefahren werden. Sämtliche Transporte würden mit dem israelischen Militär koordiniert, fügte er hinzu.
Die UNRWA hatte am Donnerstag ihre Konvoifahrten im Gazastreifen eingestellt, nachdem ein Konvoi nahe dem israelischen Grenzübergang Erez beschossen und dabei zwei Mitarbeiter getötet worden waren. Das Hilfswerk hatte dann einen Tag später eine Wiederaufnahme seiner Aktivitäten angekündigt, nachdem es vom israelischen Verteidigungsministerium entsprechende Sicherheitsgarantien erhalten hatte. Die UN hatten den tödlichen Beschuss des Konvois der israelischen Armee zugeschrieben. Die israelischen Streitkräfte hatten aber energisch bestritten, für das Feuer auf die UNRWA-Lastwagen verantwortlich gewesen zu sein.
Hochrangige britische Juden haben Israel zu einem Ende der Angriffe im Gazastreifen aufgerufen. In einem öffentlichen Brief, der in der Zeitung "Observer" veröffentlicht wurde, sprachen sie von ihrem "Entsetzen" über die Gewalt und das Sterben im Gazastreifen. Die militärischen Aktionen würden islamistischen Extremismus fördern, warnten sie. "Wir glauben, dass nur Verhandlungen eine langfristige Lösung für Israel und die Region bringen können." Israel müsse die UN-Resolution für einen sofortigen Waffenstillstand unterstützen.
Knackpunkt Grenzsicherung
In der Diskussion um eine Sicherung der Grenze zum Gazastreifen pocht Israel auf die Verantwortung Ägyptens. Einen Einsatz internationaler Sicherheitskräfte wies ein hochrangiger Vertreter des Verteidigungsministeriums dagegen zurück. Ägypten verfüge zweifellos über hervorragende Militär- und Sicherheitskräfte, die die Grenze zum Gazastreifen überwachen könnten, sagte Amos Gilad dem Sender Israel Radio. Internationalen Kräften fehlten dagegen sowohl die nötigen Geheimdienstinformationen als auch die Möglichkeiten, den Schmuggel zu unterbinden.
Europäischen und israelischen Diplomaten zufolge ist der Einsatz internationaler Beobachter Teil der Beratungen über eine Waffenruhe. Israel Radio zufolge will Gilad am Montag nach Ägypten reisen, um über Vorschläge für einen Waffenstillstand zu verhandeln. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bot Ägypten zum Auftakt seiner Sondierungen zu einem Waffenstillstand in der Region Hilfe bei der Überwachung der Grenze an.
Israel hat als Voraussetzung für eine Waffenruhe ein Ende des Waffenschmuggels über Tunnel an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen gefordert. Israel begründet seine seit mehr als zwei Wochen andauernde Offensive mit dem anhaltenden Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen. Am Samstag warnte die israelische Luftwaffe die Bevölkerung im südlichen Teil des Küstengebiets vor verstärkten Angriffen auf Schmugglertunnel und Waffenlager an der Grenze zu Ägypten.
Quelle: ntv.de