Sozialrichter urteilt Entschädigung nach Inzest
16.04.2002, 00:31 UhrWenn ein Vater seine Tochter sexuell missbraucht, hat ein dabei gezeugtes Kind Anspruch auf eine staatliche Entschädigung für Gewaltopfer. Dies entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Voraussetzung sei jedoch, dass das Kind mit Behinderungen zur Welt kommt, die nachweislich auf den Inzest zurückzuführen seien.
Anlass für das Urteil war ein tragisches Schicksal einer jungen, schwerbehindert geborenen Frau aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Mutter der 22 Jahre alten Klägerin war seit ihrer Jugend von ihrem Vater sexuell missbraucht worden. Die nach Angaben der Mutter bei einer dieser regelmäßigen Vergewaltigungen gezeugte Tochter kam mit schweren geistigen und körperlichen Behinderungen auf die Welt.
Mit dem Urteil wird eine Gesetzeslücke geschlossen. Die Entschädigung von Kindern aus derartigen Inzest-Fällen wird im Gesetz nicht erwähnt und daher von den Landesversorgungsämtern in der Regel verweigert. Die Väter jedoch können oftmals nicht mehr strafrechtlich belangt werden, da ihre Taten verjährt sind.
Juristische Auseinandersetzung geht weiter
Bereits in erster Instanz hatte das Sozialgericht in Schwerin das Land Mecklenburg-Vorpommern zur Zahlung von Gewaltopferentschädigung verurteilt. Die Gesundheitsstörungen der jungen Frau seien Folge des erzwungenen Inzests, hatten die Richter entschieden. Das Land lehnte eine Entschädigung jedoch weiterhin ab. Das Kind könne nicht als Opfer der Gewalttat gelten, da es erst durch diese Tat entstanden sei, hatten die Regierungsvertreter argumentiert.
Auch nach dem jetzigen Urteil des Bundessozialgerichts ist für Mutter und Kind die juristische Prozedur noch nicht beendet. Ob die Entschädigung wirklich geleistet wird, entscheidet sich erst nach einem weiteren Urteil, das das Landessozialgericht in Neubrandenburg fällen muss. Die Richter hier müssen klären, ob das Kind tatsächlich bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde.
Quelle: ntv.de