"Obama wird siegen" Entscheidung fällt Ende August
14.03.2008, 10:21 UhrDie Vorwahlen werden zwischen Hillary Clinton und Barack Obama keine Entscheidung bringen - am Ende wird es an den Superdelegierten sein, den demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu bestimmen. Sie werden sich für Obama entscheiden, sagt Frank Unger vom Berliner John-F.-Kennedy-Institut im Interview mit n-tv.de. Auch beim künftigen "running mate" hat Unger eine Prognose.
n-tv.de: Acht Vorwahlen stehen bei den Demokraten noch an, als nächstes Pennsylvania am 22. April, dann nur noch kleinere Staaten: im Mai Indiana, North Carolina, West Virginia, Kentucky und Oregon, schließlich am 3. Juni Montana und South Dakota. Bis dahin hat aber weder Barack Obama noch Hillary Clinton eine Mehrheit. Was passiert dann?
Frank Unger: Ich bin ziemlich sicher, dass das Rennen von den "super-delegates" entschieden wird. Insgesamt sind das knapp 800, ein Fünftel der demokratischen Delegierten. Viele von denen haben sich noch nicht entschieden.
CNN rechnet Obama derzeit 207 Superdelegierte zu, Clinton 237.
Die sind aber nicht festgelegt, die können sich jederzeit umentscheiden. Ich gehe davon aus, dass die Superdelegierten sich mit der Parteiführung, dem Democratic Leadership Council, in einer Art Extra-Caucus zusammensetzen werden, um eine Entscheidung zu fällen. Und ich schätze, dass es am Ende auf Obama hinauslaufen wird.
Könnte es nicht sein, dass die Superdelegierten ihre Stimmen zwischen Obama und Clinton aufteilen, um sich selbst zu neutralisieren?
Das glaube ich nicht. Meine Einschätzung ist, dass die meisten Superdelegierten und die Parteiführung davon ausgehen, dass sie mit Obama eine größere Chance gegen John McCain haben.
Im Moment sagen die Umfragen, dass beide ihn schlagen können. Bis vor kurzem lag Clinton meist hinter McCain.
Bei diesen Umfragen bin ich skeptisch. Erfahrungsgemäß ist es doch so, dass die allermeisten Wähler ihre Stimme immer derselben Partei geben - egal wie der Kandidat gerade heißt. Die Entscheidung fällt in den "swing states". Dort könnten die Neu- und Jungwähler die Wahl entscheiden. Obama hat schon in den Vorwahlen unglaublich viele Leute mobilisiert. An den demokratischen Vorwahlen haben weitaus mehr Menschen teilgenommen als noch vor vier Jahren. Das waren vor allem Leute unter 30 - eine Gruppe, die sich sonst kaum an Vorwahlen beteiligt. Das könnte im November den Ausschlag geben. Deshalb denke ich, dass die Superdelegierten sich auf Obama einigen werden.
Wie würde das konkret ablaufen? Wann würden die ihre Absprache treffen?
Na, während des Nominierungsparteitags.
Erst Ende August?
Das war früher doch auch so. Bis 1968 wurde erst auf dem Parteitag über die Präsidentschaftskandidatur entschieden. 1968, das war diese berühmte Geschichte, als Hubert Humphrey gekürt wurde, obwohl er keine einzige Vorwahl gewonnen hatte. Humphrey war ein Befürworter des Vietnamkriegs, draußen vor der Halle kam es zu heftigen Krawallen zwischen Polizei und Kriegsgegnern. Danach wurde die McGovern-Fraser-Kommission eingesetzt, die das Vorwahlsystem so reformiert hat, wie wir es heute kennen. Ein Ergebnis war, dass die Delegierten auf die Kandidaten, für die sie antreten, verpflichtet werden, ein anderes, dass die Delegierten proportional verteilt werden, also nicht wie bei den Republikanern nach dem "winner takes all"-Prinzip. Deshalb ist es bei den Demokraten ja auch gar nicht so furchtbar wichtig, wer eine einzelne Vorwahl "gewinnt". Auch der Zweitplatzierte bekommt Delegierte.
Ich habe mal überschlagen, wer führen würde, wenn der Sieger im jeweiligen Bundesstaat alle Delegierten bekäme. Dann läge zwar Clinton vorn, aber auch nur knapp.
Ach ja? Ich hätte angenommen, dass Obama dann weiter in Führung liegen würde.
Wäre es nicht eine Überforderung der amerikanischen Öffentlichkeit, wenn die Entscheidung erst auf dem Parteitag fällt? Bis Ende August können Obama und Clinton doch nicht die Spannung halten.
Warum nicht? Das Publikum wird in Spannung gehalten und gut unterhalten. Da wird es noch einige Schlammschlachten geben, so wie Hillary Clinton das jetzt mit diesem Spot versucht hat, in dem eine Mutter nachts nach ihren Kindern sieht. Im Hintergrund hört man ein Telefon, eine Stimme sagt, es ist drei Uhr morgens und im Weißen Haus klingelt das Telefon. Irgendwas ist in der Welt passiert - ein Krieg ausgebrochen, ein Terroranschlag, das wird nicht näher ausgeführt. "It's 3 a.m. and your children are safe and asleep. Who do you want answering the phone?" Mit diesem Spot sollte Obama als international unerfahren diffamiert werden.
Obama wirft Clinton regelmäßig "negativen Wahlkampf" vor.
Negativer Wahlkampf ist üblich in den USA. Es ist leichter, Leute gegen etwas zu mobilisieren als für etwas.
Aber kann Obama sich diese Art Wahlkampf leisten? Er will doch Schluss machen mit den "same-old Washington politics".
Er hält sich auch zurück, das macht ja hauptsächlich Hillary Clinton.
Und kann er sich das leisten: sich zurückzuhalten?
Ich glaube schon. Es passt gut zu seinem Nimbus des weißen Ritters, der solche Sachen nicht nötig hat. In seinem Fall kommen ihm die Angriffe der Gegenseite sogar zugute. Seine Anhänger bilden ja fast schon eine messianische Bewegung. Ich bekomme Mails von Freunden aus den USA, die empört sind, dass ich in meinen Beiträgen für die Rationalgalerie so distanziert über Obama spreche, dass ich so leicht- und kleingläubig bin. Ich sage dann immer: Selbst wenn Obama so ein toller Kerl ist - was ihr alles von ihm erwartet, das kann er gar nicht leisten. Die Politik der USA kann nicht einfach so in eine andere Richtung gedreht werden, das geht nur ganz langsam. Obama könnte höchstens ein paar taktische Änderungen vornehmen.
In Mississippi entschieden sich die Wähler ziemlich scharf entlang der "racial lines"; mehr als 90 Prozent der Schwarzen votierten für Obama, 72 Prozent der Weißen für Clinton. Ist das ein Einzelfall oder ein Trend?
Eher ein Sonderfall. Mississippi ist einer der Staaten, in denen die alten Jim-Crow-Mentalitäten noch am stärksten fortleben. Normalerweise hat Clinton auch unter den Schwarzen zahlreiche Anhänger. Da profitiert sie von dem guten Ruf, den Bill Clinton bei schwarzen Wählern hat. Umgekehrt ist Obama natürlich auch unter Weißen erfolgreich.
Spielt das Thema Rasse noch eine Rolle im Wahlkampf? Etwa die rassistische Haltung, dass ein Schwarzer nicht Präsident werden darf, oder die strategische Überlegung, dass ein Schwarzer weniger gute Chancen hätte, die Wahl zu gewinnen?
Für Hillary Clinton gilt ja dasselbe, sie weckt als Frau genauso starke Ressentiments wie Obama als Schwarzer. Im Wahlkampf gegen McCain werden beide das vermutlich ausgleichen, indem sie sich einen "running mate" suchen, der das Gegenteil von beiden repräsentiert. Deswegen können sie auch nicht zusammen antreten, das würde den "Abschreckungseffekt" noch verdoppeln. Der demokratische Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten wird ein weißhaariger, alter, weißer Mann sein, da können Sie drauf wetten.
Damit wäre der Gouverneur von New Mexico, der die Latino-Stimmen hätte anziehen können, aus dem Rennen.
Meine These ist, dass Clinton oder Obama sich jemanden wie den Kongressabgeordneten John Murtha suchen werden. Das ist ein profilierter Kritiker des Irak-Kriegs, gleichzeitig aber ein alter Soldat. Mit Murtha an der Seite könnten sie glaubwürdig machen, dass der Abzug der regulären Truppen aus dem Irak nicht aus Feigheit vor dem Feind geschieht. Zugleich ist Murtha ein absoluter Befürworter der weiteren Aufrüstung, und zwar diesmal mit Blick auf den mittelfristigen Großfeind: China. Im Budget 2009 sind bereits strategische Waffen eingeplant, die mit dem Krieg gegen den Terrorismus nichts zu tun haben: 20 F-22-Bomber, ein großer neuer Flugzeugträger, ein neues Schlachtschiff, ein neues Atomunterseeboot.
Und wenn John McCain Präsident wird? McCain hat angekündigt, die USA könnten noch 100 Jahre im Irak bleiben.
Trotzdem bin ich sicher, dass ein Präsident McCain die Vorschläge der Baker-Hamilton-Kommission umsetzen würde. McCain hätte sogar eher als ein Demokrat die Möglichkeit, im Irak etwas zu ändern. Natürlich würden auch die Republikaner versuchen, die außenpolitische Niederlage, die ein Rückzug aus dem Irak bedeuten würde, mit einer neuen Rüstungsfront gegen China zu kompensieren.
Außenpolitisch wäre es demnach relativ egal, wer die Wahl gewinnt.
Was den Irak-Krieg angeht auf jeden Fall. Die USA können sich diesen Krieg schlichtweg nicht mehr leisten. Die realen Kosten des Krieges sind nach Schätzungen seriöser Ökonomen drei Mal so hoch wie von der US-Regierung angegeben. Das können die USA nicht länger durchhalten.
Beim Klimawandel gibt es zwischen McCain, Obama und Clinton auch nicht so große Unterschiede. Auch hier dürfte es einen Kurswechsel geben.
Ja, das glaube ich auch. Die "neocons", die unter Bush mit ihrem Hauruck-Konservatismus die Politik bestimmt haben, die sind verbrannt. Auch eine republikanische Regierung wird künftig anders auftreten, sowohl national als auch international. McCain distanziert sich natürlich nicht offen von Bush, das kann er nicht. Aber er wird im Laufe des Wahlkampfs verstärkt betonen, dass auch er für einen umfassenden Wandel eintritt.
Bush will McCain im Wahlkampf unterstützen.
Früher oder später wird McCain dankend ablehnen.
Quelle: ntv.de, Mit Frank Unger sprach Hubertus Volmer