"Türkische Schulen gründen" Erdogan verwirrt Merkel
08.02.2008, 16:56 UhrNach der Brandkatastrophe von Ludwigshafen hat der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan mehr Anstrengungen für die Integration der in Deutschland lebenden Türken gefordert. Sein Land werde dazu alles Notwendige tun und erwarte dies auch von der Bundesregierung, sagte Erdogan nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
So warb er dafür, in Deutschland türkischsprachige Gymnasien und Universitäten zu gründen. Die Türkei sei bereit, Lehrer an deutsche Schulen zu entsenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte verhalten auf den Vorstoß. Die Arbeit türkischer Lehrer an deutschen Schulen stelle sie sich "schwierig" vor. Etwas anderes sei der Einsatz von Sozialpädagogen, die sich speziell um Migrantenkinder kümmern könnten.
Sie tue sich schwer mit der Entsendung türkischer Lehrer nach Deutschland. Allerdings befürwortete Merkel den verstärkten Einsatz von Lehrern mit türkischem Migrationshintergrund. Sie sagte Erdogan außerdem eine rasche Untersuchung des Brandes zu, bei dem am vergangenen Sonntag neun Menschen getötet und 60 verletzt worden waren.
Unterschiede akzeptieren
Bei einer Diskussion mit türkischen und deutschen Jugendlichen im Kanzleramt, die mit einer Schweigeminute begann, sagte Erdogan, bei aller Integration müssten die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptiert werden. Er sage "Nein zu Assimilation".
Erdogan vertrat die Ansicht, um Deutsch sprechen zu können, müssten Migranten zuerst ihre Muttersprache beherrschen. Dies sei bei vielen in Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen nicht der Fall. "Deswegen wünschen wir als Türkei, dass wir türkische Lehrer auch nach Deutschland entsenden." In seinem Land gebe es ebenfalls deutsche Schulen.
Merkel betonte, das Thema Integration bewege beide Seiten sehr. Zur Entsendung türkischer Lehrer äußerte sie sich zurückhaltend. Ein deutscher Lehrer müsse "zu all seinen Schülern die notwendige Offenheit" haben. Man könne nicht sagen, dass Personen mit Migrationshintergrund für eine gute Entwicklung der Kinder notwendig seien.
Merkel zeigte sich aber offen dafür, Sozialpädagogen etwa zur Überwindung von Lernschwierigkeiten einzusetzen. "Aber für die Lehrer, für die eigentlichen Stunden, stelle ich es mir schwer vor", fügte sie hinzu. Gleichwohl betonte sie, dass es türkischstämmige Lehrer und Polizisten in Deutschland geben müsse.
Ermittlungen abwarten
Mit Blick auf den Wohnhausbrand mahnten beide Politiker, die Ermittlungen abzuwarten. "Wir werden in Deutschland alles dafür tun, damit diese schreckliche Brandkatastrophe so schnell wie möglich aufgeklärt wird", sagte Merkel. Überhitzte Reaktionen seien nicht förderlich für die Integration. Erdogan würdigte erneut das Engagement von Feuerwehr und Polizei. "Die große Aufmerksamkeit und das große Verantwortungsbewusstsein nehme ich mit großem Dank zur Kenntnis."
Während Erdogan auf das Wahlkampfthema kriminelle Ausländer des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch nicht einging, machte sein außenpolitischer Berater Cüneyd Zapsu es für die erhitzten Reaktionen türkischer Zeitungen verantwortlich. "Wir hatten ja zuletzt keine schöne Kampagne in Deutschland", sagte er im Deutschlandfunk.
Einsturzgefahr
Kochs Kampagne habe sehr viel Unruhe in die türkischen Mitbewohner gebracht, "und das hat natürlich auch in der Türkei viel Wirbel gemacht". Erdogan sprach sich dagegen aus, ein Denkmal für die Opfer zu errichten, da dieses in späteren Generationen Hass schüren könne. Am Vorabend hatte er die Brandruine besucht.
Die Polizei vor Ort hat noch keine neuen Erkenntnisse zur Ursache des Feuers. Spürhunde hätten bislang keine Brandmittel aufspüren können, sagte ein Sprecher. Die Sonderkommission sei von 50 auf 80 Mitarbeiter aufgestockt worden. Die Ermittlungen könnten sich aber noch lange hinziehen. Die Experten kämen wegen der Einsturzgefahr nur schwierig ins Haus. Die Zusammenarbeit mit den Brandschutzexperten aus der Türkei verlaufe professionell und produktiv, sagte ein anderer Sprecher. Nicht bestätigt hätten sich Gerüchte, wonach es früher schon Drohungen gegen die Hausbesitzer gegeben haben soll.
Quelle: ntv.de