"Anschläge in Vorbereitung" Erhöhte Terrorgefahr
31.01.2009, 16:55 UhrSicherheitsbehörden und Bundesinnenministerium sehen Deutschland vor der Bundestagswahl verstärkt im Fadenkreuz islamistischer Terroristen. "Wir müssen eine neue Qualität feststellen, die zeigt, dass Deutschland unter den Zielländern der Terroristen weiter nach vorne gerückt ist", sagte CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble der "Bild am Sonntag". Es sei allerdings nicht neu, dass islamistische Terrornetzwerke mit Anschlägen gegen Deutschland drohten: "Das tun sie seit längerem."
Ähnlich wie in Spanien vor fünf Jahren könnte versucht werden, mit Anschlägen den Ausgang der Wahl zu beeinflussen, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, dem Magazin "Focus". "Wir stellen deutliche Parallelen zur Situation in Spanien fest." Kurz nach den verheerenden Terroranschlägen auf vier Madrider Pendlerzüge hatten 2004 in Spanien Wahlen zu einem Regierungswechsel geführt, in dessen Folge die spanischen Truppen aus dem Irak abgezogen wurden. Bei den Anschlägen waren 191 Menschen getötet und mehr als 1800 verletzt worden.
"Neu und beunruhigend"
Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm nannte im "Hamburger Abendblatt" die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags "außerordentlich hoch". Die jüngst verbreiteten Drohvideos belegten, "dass Anschläge gegen unser Land vorbereitet werden". Überlegungen, dass die Terrororganisation Al Kaida auf die Bundestagswahl ziele und den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan erzwingen wolle, seien deshalb naheliegend. Die Erklärungen des Islamisten Bekkay Harrach in einem der Videos deuteten in diese Richtung, sagte Fromm.
Fromm zufolge ist den Sicherheitsbehörden ein islamistisch-terroristisches Personenpotenzial in Deutschland "im hohen dreistelligen Bereich bekannt; darunter sind viele eingebürgerte Deutsche und auch Konvertiten". Der Präsident rief die muslimische Gemeinschaft zur Kooperation mit Verfassungsschutz und Polizei auf. "Ich würde mir wünschen, dass die Muslime ihre Zurückhaltung gegenüber den deutschen Sicherheitsbehörden aufgeben", sagte er: "Wenn auffällt, dass sich junge Leute radikalisieren, sollte das gemeldet werden."
Innenstaatssekretär August Hanning nannte das von Al Kaida veröffentlichte Harrach-Video in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" "neu und beunruhigend". Harrach sei ein wichtiger Mann in der Terrororganisation und habe Zugang zu deren Führung. Deutschland sei unter den Zielländern der Terroristen "weit nach vorne gerückt".
Gefährliche Konvertiten
Auch für Ziercke deuten die jüngsten Video-Botschaften darauf hin, "dass Deutschland und deutsche Interessen im Ausland bedroht werden". Für besonders gefährlich halte er zum Islam konvertierte Radikale aus Deutschland: "Sie kennen die deutsche Infrastruktur, sind gesellschaftlich integriert und fallen aufgrund ihres Aussehens kaum auf."
In den vergangenen Wochen waren im Internet zwei Droh-Videos aufgetaucht, in denen direkt auf Deutschland Bezug genommen wurde. Im ersten hatte ein deutsch sprechender Islamist, der sich Bekkay Harrach nannte, Deutschland direkt zum Abzug seiner Soldaten aus Afghanistan aufgefordert. Vor wenigen Tagen folgte ein Video der Islamischen Dschihad-Union (IJU): "In diesem Jahr haben wir ein paar Überraschungspakete an die Besatzungsmächte vorbereitet. Denn der Verbündete der Besatzungsmächte muss immer mit unseren Angriffen rechnen", zitierte die ARD aus dem teils auf Deutsch ausgestrahlten Video.
Schäuble will nicht nachgeben
Nach Einschätzung des Linken-Partei- und Fraktionschefs Oskar Lafontaine hat die Bundesregierung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan "den Terror ins eigene Land" geholt. Nur "die Abkehr von militärischer Gewalt, der bereits hunderttausende Zivilisten zum Opfer gefallen sind, kann diese verheerende Entwicklung stoppen. Dies ist im Interesse des Friedens und der deutschen Bevölkerung", erklärte er in Berlin.
Schäuble will den Forderungen der Islamisten nicht nachgeben: "Wir nehmen die Bedrohung ernst, die Sicherheitsbehörden leisten gute Arbeit und es gilt: Wir lassen uns nicht einschüchtern und eine Erpressung Deutschlands wird keinen Erfolg haben."
Quelle: ntv.de