"Falscher Zungenschlag" Es wird einsam um Koch
31.01.2008, 17:38 UhrNach dem CDU-Wahldesaster von Hessen findet in der Union nun eine offene Abrechnung mit dem Wahlkampfstil von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) statt. Politiker unterschiedlicher Flügel - wie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (beide CDU) - gingen auf Distanz zu Aussagen von Koch und der Hessen-CDU zur Ausländerpolitik, die bereits zuvor von anderer Seite kritisch gesehen worden waren. Die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung kam unterdessen zum Schluss, Koch habe sich das Debakel bei der Landtagswahl selbst zuzuschreiben.
Ohne Koch namentlich zu nennen, sagte Polenz im Bayerischen Rundfunk: "Ich glaube, dass auch mancher Zungenschlag im hessischen Wahlkampf über das Ziel hinausgeschossen ist." In der Ausländerpolitik müsse sensibel vorgegangen werden. Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm indes Koch erneut in Schutz.
Deutliche Worte von Schönbohm
Der Innenminister von Brandenburg, Jörg Schönbohm, bemängelte insbesondere den Einsatz des CDU-Wahlplakats mit der Aufschrift "Ypsilanti, Al Wazir und die Kommunisten verhindern!". Er könne die Kritik daran nachvollziehen, sagte Schönbohm im SWR Fernsehen. Da sei ein Eindruck entstanden, den die Partei nicht wolle. "Koch hat Fehler gemacht. Die starke Polarisierung hat dazu geführt, dass die Gesprächsfähigkeit zwischen den Parteien nach der Wahl sehr eingeschränkt ist."
Angst vor der eigenen Courage?
Unterdessen versuchten einige Unterzeichner eines offenen Briefs zur Ausländerintegration, der bereits am Mittwoch für Aufsehen gesorgt hatte, den Eindruck zu entkräften, er richte sich gegen Koch. Sie betonten, sie hätten sich primär gegen den Eindruck wehren wollen, die Union stehe nicht für Integration. Der Berliner CDU-Politiker Friedbert Pflüger meinte im ZDF: "Das ist keine Korrektur von Koch, allenfalls eine Ergänzung." Ähnlich äußerte sich Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU).
Der Initiator des Briefs, NRW-Integrationsminister Armin Laschet, nannte als den "eigentlichen Adressaten" eine Gruppe von prominenten türkisch-stämmigen Deutschen, die der Union in einem offenen Brief in der Wochenzeitung "Die Zeit" zuvor Populismus in der Ausländerpolitik vorgeworfen hatte. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) haben die Unterzeichner aus der CDU aber durchaus beabsichtigt, Missverständnisse, aus der Welt zu schaffen, die durch Kochs Wahlkampf ausgelöst worden seien.
Auch der Freiburger Migrationsforscher Dieter Oberndörfer, der ebenfalls unterzeichnet hat, sah eine "klare Distanzierung" vom Wahlkampf von Koch. Kochs Wahlkampf zum Thema Jugendgewalt insbesondere von Ausländern sei "unverantwortlich" und "ausgrenzend" gewesen. "Es ist wichtig, dass sich die Leute in der Volkspartei CDU zeigen, die für eine gute Integrationspolitik sind", sagte er.
Kritik an zu viel Offenheit
Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach (CDU) kritisierte hingegen den Brief und warnte vor negativen Folgen für die CDU. Hilfreich sei dies nicht, sagte er. SPD und Grüne rückten die Union "in die Nähe des Rechtsradikalismus". CSU-Vize Horst Seehofer übte ebenfalls Kritik. "Statt offene Briefe zu schreiben, sollte man Kritik dort anbringen, wo Wahlen analysiert werden - hinter verschlossenen Türen", sagte er dem "Münchner Merkur".
Merkel hält zu Koch
CDU-Chefin Angela Merkel versucht, den Streit einzudämmen. "Die Autoren des ... Briefes haben den Eindruck zurückgewiesen, dass sie mit ihm Roland Koch kritisieren wollten", sagte die Kanzlerin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"."Roland Koch hatte in seinem Wahlkampf die volle Unterstützung der CDU und meine als Vorsitzende", sagte sie. "Ich stand und ich stehe dazu, dass das Thema Jugendkriminalität auf der Basis der Wiesbadener Erklärung der CDU in den Wahlkampf ... gehörte."
Glaubwürdigkeitsdefizit für die CDU
Nach der der dpa vorliegenden Studie der Adenauer-Stiftung hat die CDU in Hessen einen stark polarisierenden Wahlkampf geführt und damit Wechselwähler vergrault. "Das Thema Jugendgewalt stieß auf große Resonanz, die politischen Lösungsansätze überzeugten weniger", heißt es in einer Studie. Dies habe zu einem "Glaubwürdigkeitsdefizit" für die CDU und letztlich zu den Stimmenverlusten von zwölf Prozentpunkten geführt.
Die FDP-Führung hat inzwischen ihr Angebot an die Parteichefs der Großen Koalition erneuert, bei einem Spitzengespräch sachlich über Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendgewalt zu beraten. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel erinnerte an den Brief des FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Guido Westerwelle an die drei Parteichefs der Koalition.
Quelle: ntv.de