Politik

Afghanistan vor der Wahl Eskalation der Gewalt befürchtet

Vier Tage vor der Wahl in Afghanistan ist es im Norden des Landes erneut zu Gefechten gekommen. Deutsche Soldaten waren an den Kämpfen zwar nicht beteiligt, allerdings rechnet die Bundeswehr mit einer deutlichen Zunahme der Gewalt vor der Wahl. Auch die anstehende Bundestagswahl könnte Anlass für weitere Anschläge sein.

Die Taliban haben mit Anschlägen auf Wahllokale gedroht.

Die Taliban haben mit Anschlägen auf Wahllokale gedroht.

(Foto: REUTERS)

Am nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus haben sich afghanische Sicherheitskräfte und Aufständische erneut Feuergefechte geliefert. Ein Bundeswehr-Sprecher sagte, es sei zu "einigen" Kämpfen gekommen. Opferzahlen seien nicht bekannt. Drei verletzte afghanische Soldaten würden im deutschen Rettungszentrum in Kundus behandelt und in das Bundeswehr- Krankenhaus nach Masar-i-Scharif ausgeflogen.

Der Verwaltungschef des Unruhedistrikts Char Darah, Abdul Wahid Omarkhel, erklärte, bei einem der Angriffe sei ein afghanischer Soldat getötet worden. Den Angaben zufolge wurden vier weitere Soldaten verletzt, als am Vortag radikal-islamische Aufständische einen afghanischen Militärkonvoi mit Panzerabwehrraketen beschossen. Ein Taliban-Sprecher bekannte sich zu der Tat.

Deutsche Soldaten nicht mehr angegriffen

Deutsche Soldaten seien an den jüngsten Kämpfen nicht beteiligt gewesen und seien seit einem Feuergefecht am Samstag nicht mehr angegriffen worden, sagte der Bundeswehr-Sprecher. Dabei war in Kundus ein deutscher Soldat leicht verletzt worden. Er habe eine Verbrennung erlitten. Am Freitag war die Bundeswehr in Kundus mit "starken Kräften" ausgerückt, um die Vorbereitungen der Präsidentschaftswahl sowie die Abstimmung am 20. August zu schützen.

Bei weiteren Kämpfen im Nordosten des Landes kamen mehr als 30 radikalislamische Aufständische ums Leben. Die Taliban-Kämpfer seien bei einer Militäraktion in Spera in der Provinz Chost an der Grenze zu Pakistan getötet worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul. Die Sicherheitskräfte hätten dabei mehrere Rebellen-Verstecke zerstört. Unter den Toten seien auch zehn Taliban-Kämpfer aus dem Ausland.

Er ist der Favorit der anstehenden Wahl: Der derzeitige Präsident Afghanistans, Hamid Karsai.

Er ist der Favorit der anstehenden Wahl: Der derzeitige Präsident Afghanistans, Hamid Karsai.

(Foto: REUTERS)

Radikalislamische Taliban drohten unterdessen erstmals damit, bei der Präsidentenwahl Wahllokale direkt anzugreifen. Auf Flugblättern, die im Süden des Landes verteilt wurden und die AFP-Reportern in der Stadt Kandahar vorlagen, hieß es: "Die geachteten Einwohner sollen darüber informiert werden, dass sie nicht an den Wahlen teilnehmen dürfen, weil sie sonst Opfer unserer Operationen werden." Ein Taliban-Sprecher sagte der AFP: "Wir werden neue Taktiken gegen Wahllokale anwenden." Falls Bürger vor oder in den Wahllokalen verletzt würden, seien sie selbst dafür verantwortlich, denn die Taliban hätten sie vorher informiert.

Merten: Situation in Kundus "schwierig"

Trotz der zunehmenden Taliban-Angriffe im Norden Afghanistans schätzt die SPD-Verteidigungsexpertin Ulrike Merten die Lage in dem Gebiet als "vergleichsweise ruhig" ein. "Die Wahrnehmung, dass der gesamte Norden zu einem Kampfgebiet geworden ist, ist falsch", sagte die Verteidigungsexpertin im Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in einem AFP-Gespräch. Lediglich auf rund zehn Prozent der Fläche im Norden des Landes würden sich die Anschläge und Kämpfe konzentrieren.

So herrsche in Masar-i-Scharif und Faisabad "relative Ruhe", während die Situation in Kundus "schwierig" sei, sagte Merten. In allen drei Orten hat die Bundeswehr Stützpunkte. Insgesamt sind im Norden des Landes rund 3900 deutsche Soldaten der NATO-Truppe ISAF stationiert. Mit dem Näherrücken der Präsidentschaftswahl am 20. August haben die radikalislamischen Taliban ihre Angriffe verstärkt und diese auch im Norden intensiviert.

Bundeswehr rechnet mit mehr Angriffen

Die Bundeswehr rechnet im nordafghanischen Kundus deshalb auch mit einer weiteren Zunahme von Angriffen und Anschlägen der Aufständischen vor der Wahl. "Darauf muss man eingestellt sein", sagte der Kommandeur des zivil- militärischen Wiederaufbauteams, Oberst Georg Klein, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kundus. Bei seiner Ankunft in der Provinz im Frühjahr sei die Lage dort bereits schwierig gewesen. Seitdem habe die Zahl der Zwischenfälle weiter zugenommen. "Es vergeht fast kein Tag mehr, an dem nicht geschossen wird."

Klein sagte, die Bundeswehr hoffe, dass es nach der Präsidentschaftswahl ruhiger werde. Möglicherweise würden die Aufständischen aber auch vor der Wahl in Deutschland im September die Gewalt noch einmal eskalieren lassen. "Wir hören immer wieder, dass die Aufständischen auch die Bundestagswahl im Blick haben", sagte er.

Im Bezug auf eine mögliche Terrorgefahr in Deutschland warnte die SPD-Verteidigungsexpertin Merten vor "Panikmache"; allerdings müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Bürger bestmöglich geschützt würden. Sicherheitsbehörden weisen seit einigen Monaten darauf hin, dass Deutschland wegen der bevorstehenden Bundestagswahl und seines Einsatzes in Afghanistan im Fokus des islamistischen Terrorismus stehe.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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