US-Gesundheitsreform kommt Etappensieg für Obama
24.12.2009, 13:48 Uhr
Obama kann einen dicken Erfolg verbuchen. Doch die Gesellschaft ist weiter gespalten in der Frage.
Die Abstimmung für die wichtigste Reform des US-amerikanischen Sozialwesens seit den 60er Jahren ist vorbei. Noch vor 15 Jahren scheiterte der demokratische Präsident Clinton mit seiner Gesundheitsreform. Nun steht Obama kurz vor einem historischen Erfolg.
Fast 60 Millionen US-Bürger sind 2008 zumindest zeitweise ohne Krankenversicherung gewesen, eine riesige Zahl. Fast 58 Millionen Amerikaner konnten ihre Versicherung nicht zuverlässig bezahlen. Betroffen sind vor allem Arbeitslose, junge Erwachsene, Hispanics und Kinder, so die US-Gesundheitsbehörde. Arztkosten und Krankenhausaufenthalte lassen sich von vielen Amerikanern nur über Schulden finanzieren.
US-Präsident Barack Obama will dem ein Ende setzen. Mit der angestrebten Gesundheitsreform sollen 31 Millionen Menschen eine Krankversicherung erhalten. Mehr als 94 Prozent der Amerikaner wäre selbst dann medizinische Versorgung garantiert, wenn das Konto wieder mal leer ist. Mindestens 871 Milliarden US-Dollar wird das Gesetzespaket zu Beginn kosten, mittel- bis langfristig dürfte der aber Staat sparen. Die Abstimmung des Senats an Heiligabend war die letzte große Hürde auf dem Weg zur Reform. Obama übersprang sie. 60 demokratische Senatoren stimmten in der Sondersitzung zu, 39 Republikaner votierten dagegen.
Der US-Präsident zeigte sich nach der Abstimmung zufrieden. Es handele sich um das wichtigste Sozialgesetz seit vielen Jahrzehnten. Nun müsse die Arbeit zu Ende gebracht werden.
Im Senat durch die Mangel gedreht
Die Krankenversicherung für alle ist eines der wichtigsten, wenn nicht das zentrale Wahlversprechen Obamas. Das Gesetzespaket wurde im Senat durch die Mangel gedreht: So ist keine staatliche Versicherung mehr vorgesehen, es wird nur eine Aufsicht für private Versicherungen geschaffen. Außerdem sollen Bundesstaaten selbst entscheiden dürfen, ob Abtreibungen von Versicherungen gezahlt werden müssen oder nicht.
"Change", Veränderung hatte Obama während seiner Wahlkampagne angekündigt. Dieses Versprechen will er einlösen. Auch wenn die Interessengruppen an den Standbeinen seiner Reform sägen: die Kirchen und Abtreibungsgegner, die medizinische Wirtschaft, die Republikaner, ja sogar Abgeordnete aus den eigenen Reihen.
Obama hat keine Wahl
Die im Senat erzwungenen Änderungen wurden von Obama und den Demokraten mit Zähneknirschen hingenommen, waren aber nötig. Eine staatliche Versicherung riecht für viele Republikaner nach Sozialismus – häufig ein Totschlag-Argument für Gesetzesentwürfe, da in der Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Und mit dem Kompromiss in Sachen Abtreibung wurde die letzte nötige Senatoren-Stimme auf die Seite der Befürworter geholt.
Obama wandelt auf einem schmalen Grat, doch an dessen Ende wird das Gesetz zur Unterschrift im Weißen Haus liegen. Viele Teile der Reform wurden verwässert, was ihm Kritik aus den eigenen Reihen und Teilen der Wählerschaft einbringt.
Ein historischer Schritt

Gegner der Reform halten sie für Sozialismus.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Im Repräsentantenhaus ist ein Gesetzespaket zur Gesundheitsreform längst verabschiedet, nun hat auch der Senat nachgezogen. Im nächsten Schritt wird ein Vermittlungsausschuss die unterschiedlichen Entwürfe der zwei Kammern zusammenführen. Obama räumte ein, "dass noch schwere Verhandlungen anstehen". Danach aber werden in den USA so viele Menschen krankenversichert sein wie nie zuvor.
Die Gesundheitsreform ist ein historischer Schritt für die USA, mehrere Präsidenten sind in der Vergangenheit mit ähnlichen Projekten gescheitert. Es ist zudem ein großer Sieg der Demokraten, der größte seit Lyndon B. Johnsons Maßnahmen "Krieg gegen die Armut" in den 1960er Jahren. Am Ende scheiterte Präsident Johnson, wie er selber zugab, an den explodierenden Kosten – zwei Kriege, einer in Vietnam und einer gegen die Armut, waren schlicht nicht finanzierbar.
Obama hat gezeigt, dass solche Probleme ihn nicht vor innenpolitischen Großprojekten abhalten können; weder der Konflikt in Afghanistan, noch die Finanzkrise und auch die steigenden Arbeitslosenzahlen im eigenen Land nicht. Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns war hoch. Für Obama offenbar nicht zu hoch.
Quelle: ntv.de