"Gewöhnt euch dran" Europa hat eine Linie
07.11.2008, 14:19 UhrDie 27 EU-Staaten werden in der kommenden Woche beim Weltfinanzgipfel in Washington eine europäische Strategie verfolgen. Darauf einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs trotz einiger Meinungsverschiedenheiten bei ihrem Gipfel in Brüssel.
"Wir werden einen gemeinsamen Standpunkt vertreten", sagte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der derzeit den EU-Ratsvorsitz führt. Die EU werde in Washington schärfere Regeln und eine umfassende Finanzaufsicht fordern. Eine Überregulierung der Finanzmärkte solle es jedoch nicht geben.
Europa wolle seinen gemeinsamen Standpunkt nicht aggressiv vertreten. Aber: "Man sollte sich daran gewöhnen, dass es ein politisches Europa geben wird, das von nun an mit einer Stimme sprechen wird. Diese Neuheit muss sich jeder vor Augen halten."
Sarkozy wurde entschärft
Auf Druck einiger Staaten wurden allerdings mehrere Vorschläge Sarkozys entschärft. Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt warnte vor der Gefahr, "unsere Wirtschaft wieder überzuregulieren". Zu den Bremsern gehörte auch Deutschland. Diplomaten sagten, es habe während der gut dreistündigen Beratungen beim EU-Kurz-Gipfel erhebliche Meinungsunterschiede über das Ausmaß der Kontrollen und Regulierungen gegeben, die für den Umbau des Finanzsystems vorgeschlagen werden sollten.
Am 15. November kommen in der US-Hauptstadt die politischen Spitzen der 20 wichtigsten Industriestaaten und aufstrebenden Schwellenländer (G20) zusammen, um einen Fahrplan für eine neue Weltfinanzordnung zu vereinbaren. Die EU pocht wegen dramatischer Börseneinbrüche und Bankenpleiten darauf, dass Finanz-Institute und -Märkte überall auf der Welt reguliert oder zumindest beaufsichtigt werden.
EU macht Druck auf USA
Sarkozy forderte, es müsse nach dem Washingtoner Treffen innerhalb von 100 Tagen, also bis Ende Februar 2009, ein Nachfolgetreffen auf Spitzenebene geben. Der Franzose machte klar, er erwarte konkrete Schritte seitens der USA: "Mit den USA wird es einen Dialog geben. Ich werde nicht nur Allgemeinheiten vorschlagen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Wir gehen mit dem festen Willen nach Washington, eine sehr klare, eindeutige Antwort einzufordern." Sie fügte hinzu: "Wir waren uns einig, dass es vor allem darum geht, die Lektion aus dieser Finanzkrise zu lernen, dafür Sorgen zu tragen, dass sich solch eine Finanzmarktkrise nicht wiederholt."
Streit um "europäische Wirtschaftsregierung"
Mit Blick auf Merkel sagte Sarkozy, er habe mit dieser "exakt die gleichen Standpunkte für den Gipfel in Washington". Der französische Staatschef wiederholte allerdings seine Forderung nach erneuten Treffen der Euroländer auf Chefebene: "Die Eurogruppe wird sich eventuell weiterentwickeln." Die Diskussion drehe sich darum, ob die Euro-Zone "eine politische Dimension erhalten" solle. "Wenn ein ernsthaftes Problem auftritt, müssen die Chefs zusammentreten können."
Merkel stritt ab, dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Frankreich gebe. "Es gab überhaupt keinen Dissens", sagte sie. Zugleich sagte die Kanzlerin allerdings, die Wirtschaftspolitik müsse unter allen 27 Mitgliedstaaten abgestimmt werden. In Berlin waren Vorschläge Sarkozys für eine "europäische Wirtschaftsregierung" der 15 Euro-Länder auf scharfe Ablehnung gestoßen.
Sarkozy sagte seinerseits: "Im Grunde gibt es keine Uneinigkeit". Er räumte aber ein, dass es Differenzen über die Notwendigkeit der wirtschaftspolitischen Abstimmung gebe. "Diese Worte haben auf den beiden Seiten des Rheins eine unterschiedliche Bedeutung", sagte Sarkozy.
Obama doch nicht mit am Tisch
Das Weiße Haus teilte unterdessen mit, Obama werde beim Weltfinanzgipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Washington wahrscheinlich nicht mit am Tisch sitzen. Es werde noch beraten und koordiniert, erläuterte Sprecher Tony Fratto. Er wisse nicht, ob jemand aus Obamas Wirtschaftsteam im Gebäude sein werde. Er gehe aber nicht davon aus, dass jemand mit am Verhandlungstisch sitze.
Quelle: ntv.de