Irak-Flüchtlinge Europa will sich öffnen
05.06.2008, 12:45 UhrBundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat seine europäischen Amtskollegen zu aktiver Solidarität mit den Flüchtlingen aus dem Irak aufgerufen. Im Irak dauerten weit verbreitete Unsicherheit, Gewalt und Verletzung der Menschenrechte an. Die EU sollte deshalb "Flüchtlinge aufnehmen, die eine Perspektive in Europa finden können", sagte Schäuble bei einem Treffen des Ministerrats in Luxemburg.
"Mehr als 4,6 Millionen Iraker haben ihre Heimat verloren", heißt es in einem Diskussionspapier, das Schäuble seinen Amtskollegen vorlegte. 2007 und 2008 habe die EU humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge und Binnenvertriebenen in Höhe von 50 Millionen Euro bereit, weitere 60 Millionen seien angekündigt. "Angesichts der entsetzlichen Lage der Flüchtlinge sollte die Europäische Union aber mehr tun als finanzielle Hilfe in der Region zu leisten und den Flüchtlingen Schutz zu gewähren, die das Gebiet der Europäischen Union erreichen", erklärte der Bundesinnenminister.
Von einer gezielten Aufnahme christlicher Iraker ist in dem Papier nicht die Rede. Die EU solle aber "verletzliche schutzbedürftige Personen, wie Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten und andere auf freiwilliger Basis aufnehmen". Schäubles Staatssekretär Peter Altmaier betonte in diesem Zusammenhang vor Beginn der Ratssitzung: "Sie wissen, dass die Christen im Irak besonders schutzbedürftig sind." Bei der Auswahl der Flüchtlinge sollten Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk helfen, Familien müssten so weit wie möglich zusammenbleiben.
Dauerhafte Lösung
Angesichts des wachsenden Ausmaßes des irakischen Flüchtlingsdramas haben die Grünen die dauerhafte Aufnahme von Verfolgten in Deutschland gefordert. "Eine Aufnahme auf Zeit bringt den Menschen keine Rechtssicherheit", sagte der Abgeordnete und Sprecher der Grünen-Arbeitsgemeinschaft Migration und Flucht Omid Nouripour. Das Bundesinnenministerium hatte eine befristete Aufnahme ins Spiel gebracht.
In einem Antrag, der heute im Bundestag zur Abstimmung steht, verlangen die Grünen die "aktive Aufnahme und Integration" von Menschen, die der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen UNHCR als besonders schutzbedürftig einstuft.
Notstation Syrien
Nouripour besuchte im Mai irakische Flüchtlinge in Syrien. "Die Situation vor Ort ist gravierend", sagte er. Allein in Syrien seien 800.000 bis eine Million Flüchtlinge untergekommen - oft mehr schlecht als recht. Im am stärksten betroffenen Viertel von Damaskus lebten allein bis zu 300.000 oft völlig verarmte Flüchtlinge, die vormals der irakischen Mittelschicht angehörten. Zur Übersiedlung nach Europa stünden aber derzeit nur wenige tausend vom UNHCR registrierte Menschen bereit.
"Es geht um zwei Gruppen", sagte Nouripour. So seien traumatisierte Frauen, chronisch Kranke und Minderjährige betroffen. Besonders makaber sei auch, dass Islamisten Paare im Irak zwangsweise geschieden hätten. Auch diese Menschen bräuchten Schutz. Zudem gehe es um verfolgte religiöse und ethnische Minderheiten. Neben Christen seien Yesiden, Mandäer und Sabäer betroffen.
Gut fünf Jahre nach dem Beginn des Krieges sind rund 2,2 Millionen Iraker ins Ausland geflüchtet. Die meisten leben unter teils prekären Verhältnissen in den Nachbarstaaten. Rund 2,7 Millionen Iraker sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Nach UNHCR-Schätzungen verlassen derzeit monatlich rund weitere 60.000 Iraker ihr Land.
Quelle: ntv.de