Sperrklausel sorgt für schwache Opposition Ex-Verfassungsrichter: Drei Prozent reichen
29.09.2013, 14:04 Uhr
Wenn Union und SPD eine Koalition bilden, gehen nur 127 der insgesamt 630 Sitze an die Opposition.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach der Bundestagswahl findet fast jeder achte Wähler seinen Willen im neuen Parlament nicht wieder. Die sich abzeichnende Mini-Opposition entspreche nicht "dem Idealbild einer parlamentarischen Demokratie", sagt Ex-Verfassungsrichter Papier. Die Union will der Opposition keinesfalls entgegenkommen.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl infrage gestellt. "Man muss überlegen, ob man die Hürde nicht auf drei Prozent wie bei der Europawahl herabsetzen will", sagte Papier dem "Focus". Parteien wie die FDP und die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD), die knapp an der Sperrklausel scheiterten, seien mit jeweils über zwei Millionen Wählern keine Splitterparteien.
Grundsätzlich sei er jedoch ein Anhänger der Sperrklausel, sagte Papier. "Sie soll ja vermeiden, dass Splitterparteien die Funktionsfähigkeit des Parlaments einschränken." Damit sei sie einer der Hauptgründe für das stabile parlamentarische System in Deutschland. Insgesamt ergab sich bei FDP, AfD und Piratenpartei ein Anteil von knapp zwölf Prozent der Wählerstimmen, die nicht im Bundestag repräsentiert sind.
Die nach der Bundestagswahl vom 22. September möglicherweise schwache Opposition im Bundestag - im Falle einer Großen Koalition - entspricht laut Papier nicht "dem Idealbild einer parlamentarischen Demokratie". Grüne und Linkspartei könnten beispielsweise keinen Untersuchungsausschuss durchsetzen oder Gesetze vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen, weil sie dazu mindestens 25 Prozent der Mandate bräuchten.
Union lehnt Entgegenkommen ab
Grüne und Linke haben derzeit zusammen nur 20 Prozent der Sitze. Nach Ansicht von Staatsrechtlern sollten im Falle einer Großen Koalition die Rechte der Opposition im Bundestag gestärkt werden. Der Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis hält ein Entgegenkommen einer Großen Koalition für "rechtlich geboten", wie er dem "Spiegel" sagte. Sein Kollege Christoph Möllers hält es für möglich, dass die Fraktionen solche Rechte einklagen könnten.
Der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein sieht die Mehrheit gegebenenfalls "gut beraten, bei ernsthaften Anliegen der Opposition Hilfestellung zu leisten". CDU-Fraktionsvize Günter Krings lehnte ein Entgegenkommen aber bereits ab: "Wir würden die Funktionsfähigkeit des Bundestages beeinträchtigen, wenn jede Oppositionsfraktion allein alle Rechte wahrnehmen könnte." Das Schöne an der Demokratie sei, dass Mehrheiten wechselten.
Quelle: ntv.de, dpa