Umstrittenes Wahlrecht Experten fordern Änderung
04.05.2009, 16:05 UhrFührende Verfassungsexperten haben schwere Bedenken gegen eine Bundestagswahl auf Grundlage des derzeitigen Wahlrechts erhoben. Nach Ansicht des früheren Bundesverfassungsrichters Ernst Gottfried Mahrenholz darf ohne vorherige Korrektur am 27. September nicht gewählt werden. Sonst würde sich der Gesetzgeber über das Grundgesetz stellen, sagte Mahrenholz vor dem Innenausschuss des Bundestags. "Ein Bundestag, der gleiches Wahlrecht verwirklichen will, muss dies für die kommende Wahlperiode tun." Das jetzige Verfahren führe zu "willkürlichen Ergebnissen".
Auch der Berliner Verfassungsrechtler Hans Meyer warnte davor, mit den notwendigen Änderungen bis nach der Wahl zu warten. Es gebe kein vernünftiges Argument dafür, erneut nach den als verfassungswidrig eingestuften Vorgaben wählen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli vergangenen Jahres entschieden, dass Teile des Wahlrechts gegen das Grundgesetz verstoßen. Damit hätte die Wahl im September "einen schweren Makel", sagte Meyer bei der Anhörung zu einem Gesetzentwurf der Grünen.
Als mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit nicht vereinbar wurde von den Karlsruher Richtern das sogenannte "negative Stimmgewicht" verworfen. Es bewirkt, dass eine Partei durch die Verrechnung von Überhangmandaten mehr oder weniger Parlamentssitze erhält als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zusteht. Für die Korrektur hatte das Gericht dem Bundestag eine Frist bis spätestens Juni 2011 gesetzt. Von der jetzigen Praxis profitieren insbesondere die großen Parteien.
Zeit bis Ende Juni
Nach Angaben des früheren Bundeswahlleiters Johann Hahlen müsste sich das Parlament spätestens bis Ende Juni auf ein gemeinsames Modell verständigen, damit bei der Wahl im September danach gewählt werden könnte. Der Verfassungsjurist Heinrich Lang plädierte dagegen wegen der komplizierten Materie gegen eine schnelle Änderung.
SPD, Grüne und die Linkspartei drängen auf eine rasche Reform noch vor der Bundestagswahl. Nach ihren Vorstellungen sollen Überhangmandate faktisch abgeschafft werden. Bislang dagegen ist der größte Teil der Union, die sich von der jetzigen Praxis Vorteile am 27. September verspricht. Doch auch in ihren Reihen gibt es Befürworter für eine schnelle Lösung. Dazu gehört Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU). Da es im Herbst sehr knappe Mehrheiten geben könne, dürfe das Wahlrecht "keinen Zweifel" lassen, so Lammert.
Quelle: ntv.de