Radikale Mehrwertsteuerreform nötig Experten wollen "7%" begraben
23.09.2010, 16:24 UhrEine Expertengruppe empfiehlt ein radikales Zusammenstreichen der Begünstigungen bei der Mehrwertsteuer. Allein der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Lebensmittel erscheint den vier wissenschaftlichen Autoren der Studie gerechtfertigt und solle daher fortgeführt werden.
Im jahrelangen Streit über die Abschaffung der reduzierten Mehrwertsteuer-Sätze haben Anhänger einer Radikalreform weitere Unterstützung erhalten. In einem Gutachten für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben sich mehrere Wissenschaftler für die komplette Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze ausgesprochen - mit Ausnahme von Lebensmitteln.
"Für die allermeisten Umsatzsteuerermäßigungen gibt es keine tragfähige Begründung", geht aus dem Gutachten unter Führung der Universität des Saarlandes hervor. In Zukunft sollten prinzipiell alle umsatzsteuerpflichtigen Leistungen dem Regelsatz von derzeit 19 Prozent unterliegen. Der ermäßigte Satz von 7 Prozent erscheine nur für Lebensmittel gerechtfertigt. Der Gesetzgeber sollte die Spielräume nutzen.
Das Finanzministerium will die Ergebnisse des mehr als 400 Seiten umfassenden Gutachtens in die Beratungen der Koalition zur Zukunft der ermäßigten Mehrwertsteuersätze "einfließen lassen". Nähere Angaben machte der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk in einem Schreiben an den Finanzausschuss des Bundestages zunächst nicht. Union und FDP wollen den umfangreichen Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf den Prüfstand stellen. Erst zu Jahresbeginn kam der besonders umstrittene Steuerbonus für Hotels hinzu.
Steuer kostet 20 Milliarden Euro
Der Staat lässt sich das System der ermäßigten Steuersätze jährlich 20 Milliarden Euro kosten. Die Wissenschaftler der Universitäten des Saarlandes, Erlangen-Nürnberg, Mainz, Köln und Zürich sprechen sich für eine grundlegende Reform aus. "Der Wildwuchs bei den Steuerermäßigungen sollte mutig zurechtgestutzt werden."
Der reduzierte Mehrwertsteuersatz wurde 1968 eingeführt. Damit sollte eigentlich nicht mehr als das Existenzminimum privilegiert werden. Es geht um subventionierte Produkte, die dem Gemeinwohl dienen - wie Lebensmittel, Bücher oder Zeitungen, aber auch Leistungen im öffentlichen Nahverkehr oder Kulturangebote. Der Katalog wurde mit den Jahren immer länger - mit teils skurrilen Ausnahmen. Mit dem einstigen Ansatz hat vieles nichts mehr zu tun.
Quelle: ntv.de, dpa/rts