Politik

Arbeitsgruppen im Blindflug Extra-Wünsche für 120 Milliarden

Hermann Otto Solms und Thomas de Maizière (r.). Der eine dürfte Minister werden, der andere eher nicht.

Hermann Otto Solms und Thomas de Maizière (r.). Der eine dürfte Minister werden, der andere eher nicht.

(Foto: REUTERS)

Die zusätzlichen Ausgabenwünsche der zehn Fach-Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP summieren sich auf rund 120 Milliarden Euro. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Verhandlungskreise in Berlin.

Bei Haushaltsexperten löste die Summe Besorgnis aus. "Wichtig ist, dass unsere Glaubwürdigkeit in der Steuer- und Haushaltspolitik erhalten bleibt", sagte der CDU-Fachmann Steffen Kampeter der "Bild"-Zeitung. Bei n-tv erläuterte Kampeter, "dass wir einen Minimum-Konsolidierungsbedarf haben von 30 Milliarden Euro plus Steuerreform, die hat (der hessische Ministerpräsident) Roland Koch mit 20 Milliarden Euro beziffert".

Die FDP müsse bereit sein, "auch über Einsparungen zu reden. Es hat relativ wenig Sinn, eine Steuerpolitik ohne Blick auf den Haushalt zu machen. Das wäre ein Blindflug, der relativ rasch an die Grenze der Schuldenbremse und des europäischen Stabilitätspakts stoßen würde." Ursprünglich wollte die Union Entlastungen in zwei Stufen von 15 Milliarden Euro. Die FDP fordert 35 Milliarden Euro. Die Liberalen wollen zudem einen Umbau des Einkommensteuer-Systems.

Einige der Vorschläge sind laut Reuters sehr teuer. So würden eine Aufstockung des Kindergeldes von 164 auf 200 Euro und eine Anhebung der steuerfreien Kinder-Freibeträge den Staat bis 2013 insgesamt rund 33 Milliarden Euro kosten. Ein ermäßigter Umsatzsteuersatz für Hotels und Gaststätten würde über vier Jahre mit 17,3 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

De Maizière neuer Finanzminister?

Nach Angaben aus Unionskreisen ist Kanzleramtsminister Thomas de Maizière Favorit für das Amt des Finanzministers. "Merkel will nach Möglichkeit das wichtige Finanzministerium mit ihrem Vertrauten de Maiziere besetzen", sagte ein Unionspolitiker. "Es deutet alles daraufhin, dass dies am Ende der Koalitionsverhandlungen auch so entschieden wird." Die Personalentscheidungen sollen erst kommende Woche am Schluss der Beratungen erfolgen.

Auch der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sowie der bisherige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gelten als mögliche Anwärter für das Finanzressort. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel wolle allerdings das Finanzministerium für ihre Partei sichern, hieß es aus der Union.

Das Karussell dreht sich

Der 55-jährige de Maizière führt seit Beginn der Großen Koalition 2005 das Kanzleramt. Für die Koalitionsverhandlungen mit der FDP hat er für die Union die Leitung der wichtigsten Arbeitsgruppe Haushalt/Finanzen übernommen. Dies galt bereits als Hinweis auf eine mögliche neue Ministertätigkeit. Sein FDP-Gegenpart ist Solms. Die AG Wirtschaft/Energie wird von Guttenberg und dem FDP-Wirtschaftsexperten Rainer Brüderle geleitet. Für den Fall, dass de Maizière Finanzminister wird, hat Brüderle Chancen, Wirtschaftsminister zu werden. Guttenberg ist auch als Verteidigungsminister im Gespräch.

Nachfolger de Maizières im Kanzleramt könnte der bisherige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla werden, der ursprünglich wiederholt als Favorit für das Arbeitsministerium genannt worden war.

Umfang der Geschenke weiter unklar

Die Arbeitsgruppe Steuern/Haushalt/Finanzen hat ihre Arbeit vorläufig abgeschlossen. Union und FDP verständigten sich grundsätzlich auf weitere Entlastungen für Bürger und Unternehmen. Nach wie vor strittig sind jedoch der Umfang der Steuergeschenke sowie die Finanzierung der Entlastungen. Sie sollen in der vierten großen Koalitionsrunde an diesem Wochenende verhandelt werden.

De Maizière sagte: "Wir sind uns aber einig, dass der Beginn der Koalition zwischen Union und FDP auch mit Steuersenkungen verbunden sein muss." Trotz des erheblichen Konsolidierungsbedarfs werde es Entlastungen geben. Entscheidungen über das Gesamtvolumen und Details würden aber erst am Ende der politischen Debatte fallen. Diese kann auch nächste Woche andauern.

Die FDP begrüßte das Unions-Angebot, bekräftigte aber ihre Forderung nach einem neuen Steuersystem. Verhandlungsführer Solms sagte, zentrales Ziel der FDP sei eine Steuerreform mit Entlastungen und einer Vereinfachung des Steuersystems. Die Gespräche seien "sehr zufriedenstellend" verlaufen. "Aber natürlich muss das alles in den Finanzrahmen eingebunden werden."

Energiesteuern sollen sinken

Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie einigte sich darauf, die Steuern auf Energie zu senken. "Unser Ziel ist, die Belastungen der Verbraucher zu vermindern und die staatlich verursachten Energiepreisanteile zu reduzieren", heißt es im Abschlusspapier. Allerdings ist zweifelhaft, ob Steuersenkungen im Energiebereich angesichts der dramatischen Verschuldung überhaupt finanzierbar sind. Der Staat müsste auf Milliardeneinnahmen verzichten.

Union und FDP wollen zudem eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Angriff nehmen. "Unser Ziel ist, die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich marktfähig und speicherfähig zu machen sowie die Einspeisung zu verstetigen." Das EEG soll um eine Marktprämie ergänzt werden. Anlagenbetreiber sollen die Prämie bekommen, wenn sie auf die EEG-Vergütung verzichten und den erzeugten Strom selbst über die Strombörse verkaufen.

Quelle: ntv.de, hvo/rts/dpa/AFP

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