Politik

Deals mit Landbesitzern Finnland verstärkt "heimlich" seine Russland-Grenze

Die finnische Regierung will Holzpfosten entlang der Grenze zu Russland durch robustere Zäune mit Stacheldraht ersetzen.

Die finnische Regierung will Holzpfosten entlang der Grenze zu Russland durch robustere Zäune mit Stacheldraht ersetzen.

(Foto: REUTERS)

Stacheldraht, 200 Kilometer Zäune, heimliche Verträge mit Landbesitzern: Finnland rüstet seine Grenze zu Russland auf. Erste Maßnahmen hat das finnische Militär bereits eingeleitet, bevor die Truppen von Wladimir Putin in die Ukraine einmarschiert sind.

Ein halbes Jahrhundert lang kontrollierten finnische Grenzschützer die 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland Tag und Nacht. Im Abstand von 10 bis 50 Kilometern liefen Wachen des nordeuropäischen Landes Patrouille entlang des Eisernen Vorhangs. Dann zerfiel die Sowjetunion, Finnland rutschte gleichzeitig in eine schwere Wirtschaftskrise. Die Regierung in Helsinki verordnete einen Sparkurs und setzte den Rotstift auch beim Grenzschutz an. Sämtliche Wachposten entlang der finnisch-russischen Grenze wurden Opfer der Rezession, die Anlagen verkauft und viele Posten anschließend zu Sommerhäusern umgebaut. Seitdem dominierten entlang der Grenze einfache Zäune mit Holzpfosten die Szenerie.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Die finnischen Verteidigungskräfte FDF haben damit begonnen, "heimlich ihre Ostgrenze" zu verstärken, berichtet "Helsingin Sanomat", die größte Zeitung Finnlands. Das Militär habe vor sechs Jahren angefangen, freiwillige Vereinbarungen mit Landbesitzern im Osten des Landes zu treffen, um den Bau von Befestigungen zu ermöglichen.

Böse Erinnerungen an Winterkrieg

Die Finnen haben Erfahrung mit russischem Imperialismus. Manch älterer Finne hat im Winterkrieg 1939/1940 womöglich sogar schon gegen die Rote Armee gekämpft. Vor gut 85 Jahren wollte sich die damalige Sowjetunion finnisches Territorium einverleiben.

Die zahlen- und materialtechnisch klar unterlegenen Finnen schlugen sich wacker und konnten den Angriff der Roten Armee zunächst stoppen. Erst nach mehr als zwei Monaten gelang den sowjetischen Truppen der Durchbruch. Am 13. März 1940 wurde der Krieg mit dem Friedensvertrag von Moskau beendet. Finnland blieb unabhängig, musste aber Teile seines Landes abtreten.

2014 sind Erinnerungen an diesen Überfall wieder hochgekommen. Mit der Krim verleibte sich Russland abermals fremdes Gebiet ein. 2015 wurden die Sorgen größer, als plötzlich Flüchtlinge aus dem Nahen Osten über die weitgehend ungesicherte Grenze von Russland nach Finnland einreisten. Vermutet wurde damals, Moskau transportiere die Flüchtlinge bewusst zur finnischen Grenze, um den Nachbarn zu destabilisieren. So wie es auch Belarus bei den baltischen Staaten versucht.

1340 Kilometer Grenze

Die russisch-finnische Grenze ist 1340 Kilometer lang. Auf beiden Seiten gibt es teils Kilometer breite Sperrzonen, die nur mit einer Genehmigung betreten werden dürfen. Auf einer Strecke mit der Länge von Hamburg bis nach Rom kann dies aber kaum kontrolliert werden.

Deshalb geht Finnland seit 2017 auf die Bewohner entlang der Grenze zu, um bei ihnen Rechte zum Bau zusätzlicher Grenzschutzmaßnahmen einzukaufen. Die Verträge sehen die Möglichkeit vor, mit nur einem Tag Vorlauf zusätzliche Grenzsicherungsmaßnahmen auf den Grundstücken zu bauen - das können etwa Wachposten, Lautsprecheranlagen und weitere Zäune sein. Die Vertragslaufzeit beträgt 20 Jahre, für die Unterzeichnung erhalten die Landbesitzer eine Prämie von 750 Euro. Sollten sich die Streitkräfte eines Tages tatsächlich dazu entschließen, auf den Grundstücken zu bauen, zahlt der Staat pro Hektar weitere 4800 Euro an die betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor anderthalb Jahren seien die Landbesitzer offener für die "heimlichen Deals" geworden, berichtet "Helsingin Sanomat". "Die Einstellung ist positiver geworden. Die Menschen haben verstanden, wozu diese Vereinbarungen dienen", wird Militärsprecher Sauli Hangistö zitiert.

Finnland für Krieg gewappnet

Inzwischen sei das ganze Land auf die Gefahr eines russischen Angriffs eingestellt, erklärte auch Militärexperte Thomas Wiegold vor dem Hintergrund des finnischen NATO-Beitritts. "Finnland hat jetzt schon Kapazitäten, die auf eine Verteidigung gegen einen übermächtigen Gegner ausgerichtet sind. Die können in einem Kriegsfall ihre recht kleine Armee praktisch innerhalb weniger Tage verzehnfachen, weil sie sehr konsequent seit Jahrzehnten Reservisten ausbilden und die nötige Ausrüstung vorhalten."

Finnland war jahrzehntelang neutral, die Grenze zu Russland alles andere als hochgesichert. Die einfachen Holzzäune ein Symbol dafür, dass nicht mehr nötig war in einer Zeit der Ost-West-Entspannung. Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Haltung der Finnen verändert. Wladimir Putin hat es mit seinem Feldzug geschafft, einen ehemals neutralen Staat gegen sich aufzubringen und in die NATO zu treiben.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv-App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen