Überraschung in Berlin Fischer-Ströbele raus
19.01.2002, 17:53 UhrDas Gerangel um die Berliner Listenplätze für die Bundestagswahl bei den Grünen ist entschieden: Auf Platz Eins kam erwartungsgemäß Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Eine Überraschung hingegen ist die Wahl des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers Werner Schulz auf den zweiten Listenplatz. Schulz setzte sich gegen Andrea Fischer, die frühere Bundesgesundheitsministerin, und den Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, der dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, durch.
Auf Künast, die sich ohne Gegenkandidaten um Platz Eins beworben hatte, entfielen 565 der 646 gültigen Stimmen. Schulz, Fischer und Ströbele konkurrierten um Platz Zwei. Andrea Fischer schied bereits im ersten Wahlgang aus - nur 104 Delegierte auf der Landesmitgliederversammlung stimmten für sie. Im zweiten Wahlgang obsiegte Schulz mit 398 Stimmen über Ströbele, für den 300 Mitglieder votierten.
Platz Drei für Eichstädt-Bohlig
Den dritten Platz der Kandidatenliste eroberte die Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig. Abermals musste sich Andrea Fischer, die sich nach ihrer Niederlage im Kampf um Platz Zwei nun um die dritte Position bewarb, geschlagen geben. Auf Fischer entfielen 202, auf Eichstädt-Bohlig 295 Stimmen.
Hans-Christian Ströbele wollte sich unmittelbar nach seiner Niederlage noch nicht zu seiner politischen Zukunft äußern. Er sei "persönlich und politisch enttäuscht", sagte Ströbele und fügte hinzu: "Für meine Arbeit im Parlament und für meine politische Positionierung ist das ein Rückschlag." Offenbar habe sich auch in der politischen Ausrichtung der Berliner Grünen etwas geändert.
Sieger Schulz hingegen zeigte sich nach seiner Wahl begeistert: "Das ist der Aufbruch in diesem Landesverband", rief er den Delegierten zu.
Weniger Bundestagsplätze
Das Gerangel um die Plätze hat seinen Grund: Die Grünen müssen nicht nur darum bangen, bei der Wahl am 22. September den Einzug in den Bundestag zu schaffen. Auch bei einem stabilen Wahlergebnis müssen die Grünen ab September im verkleinerten Bundestag mit weniger Plätzen auskommen. Bei gleichem Wahlergebnis wie 1998 müsste die ehemalige Protestpartei von ihren 47 Mandaten mindestens vier abgeben. Sollte das Ergebnis schlechter ausfallen, wären es sogar noch mehr.
Die Grünen konnten bislang keine Abgeordneten durch Direktmandate in den Bundestag entsenden: Sie sind in keinem Wahlkreis die stärkste Kraft. Daher ist das einzige sichere Ticket für einen Stuhl im Parlament ein vorderer Platz auf einer der Landeslisten. Die Berliner nominierten als erster Landesverband ihre Kandidaten. In der Hauptstadt gelten nur die beiden ersten Plätze der Liste als sicher.
Quelle: ntv.de