Lage im Nahen Osten Fischer beklagt Antisemitismus
19.04.2002, 18:29 UhrBundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hat die öffentliche Diskussion in Deutschland über die Krise im Nahen Osten kritisiert. In der deutschen Beurteilung gebe es "antisemitische Elemente", sagte Fischer der "Frankfurter Rundschau". Die moralische Empörung gehe hierzulande wie in ganz Europa stets nur in eine Richtung und spare die Palästinenser aus.
Speziell die Argumentation der radikalen Linken sei nicht frei vom Antisemitismus, sagte Fischer. Er erinnerte an die historische Verantwortung der Deutschen gegenüber Israel und lehnte das Ausüben eines stärkeren Drucks auf Israel oder die USA ab.
Den Vereinigten Staaten komme weiterhin die Hauptverantwortung für das Zustandekommen einer Friedensinitiative im Nahen Osten zu, erklärte Fischer. Das "Quartett" aus USA, EU, Russland und Vereinten Nationen könne aber zu einer "dritten Kraft" werden. Fischer forderte zudem eine unabhängige Aufklärung der Ereignisse im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin, wo Israelis nach Angaben der Palästinenser ein Massaker verübt haben sollen.
Stein lobt Deutschland
Israels Botschafter in Deutschland Schimon Stein lobte die Rolle Deutschlands in der Nahost-Politik der Europäischen Union. Fischer verfolge im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Politikern eine ausgewogene Linie.
Gleichwohl betonte Stein auch, dass es kein Kritikverbot für Deutsche an Israel gebe. "Wenn die Kritik fundiert, glaubwürdig und konstruktiv ist, ist es für mich eine nebensächliche Frage, ob sie aus Deutschland kommt oder aus Frankreich oder anderswo her", sagte der Botschafter im Deutschlandradio Berlin.
Schily verurteilt Antisemitismus
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat zusammen mit seinen Amtskollegen in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Belgien jede Form von Gewalt, Rassismus und Antisemitismus verurteilt. Gelinge es nicht, Terror und Blutvergießen zu beenden, werde dies unabsehbare Folgen haben, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Auf die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel verwies am Freitag im Deutschlandfunk auch Bundespräsident Johannes Rau. "Wir sind gegenüber Israel, und zwar nicht nur gegenüber seinem Existenzrecht, sondern auch gegenüber seiner Sicherheit, nicht neutral", sagte Rau.
FDP fordert UN-Untersuchung zu Dschenin
FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper forderte, das angebliche Massaker in Dschenin von den Vereinten Nationen untersuchen zu lassen. "Die Welt braucht Klarheit über Dschenin", erklärte Pieper. Es sei absurd, FDP-Politikern, die Kritik am Vorgehen Israels äußerten, Antisemitismus vorzuwerfen. "Wir werden auch künftig Gewalt jeglicher Art im Nahen Osten verurteilen", sagte Pieper.
Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) appelierte an die israelische Regierung, internationale Hilfsorganisationen in die palästinensischen Gebiete vorzulassen. "Die Menschen in Palästina leiden entsetzliche Not", sagte Wieczorek-Zeul. Die Welt dürfe dieser humanitären Katastrophe nicht tatenlos zusehen.
Quelle: ntv.de