Politik

Kinderkrebs durch AKW? Gabriel lässt Studie prüfen

Das Risiko für Kinder an Leukämie (Blutkrebs) zu erkranken nimmt nach einer Studie zu, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerk liegt. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz, teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Auftraggeber der Studie am Samstag mit. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) kündigte die Überprüfung der Ergebnisse durch die Strahlenschutzkommission an.

Ob das erhöhte Krebsrisiko für Kinder aber tatsächlich durch die Strahlenbelastung aus einem Kernkraftwerk verursacht wird, steht laut Bundesumweltministerium und BfS nicht fest. Die Strahlenbelastung der Bevölkerung müsste durch den Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland um mindestens das tausendfache höher sein, um den beobachteten Anstieg des Krebsrisikos erklären zu können, erklärte das Ministerium. Das BfS erklärte, das Ergebnis könne "nicht plausibel mit den tatsächlichen Ableitungen aus den Reaktoren erklärt werden". Allerdings könnten auch andere mögliche Risikofaktoren, die im Zusammenhang mit Leukämie bei Kindern in Betracht zu ziehen seien, "den entfernungsabhängigen Risikoanstieg derzeit nicht erklären".

Laut der Studie nimmt die Häufigkeit von Krebserkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren mit der Nähe zum Reaktorstandort zu. Im Umkreis von fünf Kilometern um die deutschen Kernkraftwerke wurde für den Untersuchungszeitraum von 1980 bis 2003 ermittelt, dass 77 Kinder an Krebs, davon 37 an Leukämie erkrankt sind. Im statistischen Durchschnitt wären nach Darstellung der Wissenschaftler 48 Krebs- beziehungsweise 17 Leukämiefälle zu erwarten gewesen. Nach der Studie treten somit zusätzlich 1,2 Krebs- beziehungsweise 0,8 Leukämiefälle pro Jahr in der näheren Umgebung von allen 16 untersuchten Standorten auf.

Nach Angaben des Ministeriums befasst sich die Studie ausschließlich mit dem statistischen Zusammenhang der Entfernung des Wohnorts vom Standort des Atomkraftwerks. Zu den Ursachen der erhöhten Krebsraten enthalte die Studie keine Aussagen.


Die Untersuchung wurde von der Mainzer Professorin Maria Blettner geleitet und von einem vom BfS eingesetzten zwölfköpfigen Expertengremium begleitet. Sie umfasste 1 592 an einem Krebs erkrankte Kinder und 4 735 nicht erkrankte Kinder als Kontrollgruppe. Untersucht wurden 41 Landkreise in der Umgebung der 16 Standorte der Kernkraftwerke. Die neue Studie ist die dritte in einer Reihe entsprechender Untersuchungen des Kinderkrebsregisters. Das Ergebnis passt nach Auffassung des BfS zu ähnlichen Untersuchungen, die weltweit durchgeführt werden.

Gabriel kündigte an, sein Ministerium werde nach Prüfung der Ergebnisse über das weitere Vorgehen entscheiden. Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner forderte den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie, sollte die Gesundheitsschädlichkeit von Atommeilern nachgewiesen werden. "Kommt eine Studie zu dem Ergebnis, dass Atomkraftwerke aufgrund ihrer Strahlung gesundheitsschädlich sind, müssen alle Atommeiler in Deutschland sofort abgeschaltet werden", sagte der SPD- Spitzenkandidat bei der Landtagswahl Ende Januar der Deutschen Presse-Agentur dpa in Hannover. Der frühere Umweltminister verwies auch auf die rätselhaften Leukämie-Fälle in der Elbmarsch in der Umgebung des Atomkraftwerks Krümmel und des Forschungskernreaktors in Geesthacht in Schleswig-Holstein.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte die beschleunigte Abschaltung der ältesten Atomkraftwerke. Es seien zwar noch nicht alle Fragen beantwortet, dennoch handele völlig verantwortungslos, wer für einen längeren Betrieb von Atomkraftwerken oder gar den Neubau eintrete. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte mehr Tempo beim Atomausstieg.

Quelle: ntv.de

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