Politik

"Deutschland überempfindlich" Gates warnt vor NATO-Spaltung

Deutschland steht im Streit über die Lastenverteilung im Afghanistan-Einsatz weiter unter Druck. Während die Bundesregierung Pläne für eine massive Truppenaufstockung auf bis zu 4500 Soldaten dementierte, beharrten die USA am Sonntag auf deutschen Kampfeinsätzen im Süden des Landes. "Es dürfen nicht manche Verbündete den Luxus genießen, sich nur für Stabilisierung und Wiederaufbau zu engagieren - und damit andere Verbündete zwingen, einen übermäßigen Anteil der Kämpfe und Toten zu tragen", warnte US-Verteidigungsminister Robert Gates bei der Münchner Sicherheitskonferenz, ohne ein Land namentlich zu nennen.

Der "Spiegel" hatte zuvor berichtet, ab dem Herbst sollten bis zu 1000 zusätzliche deutsche Soldaten nach Afghanistan geschickt werden. Außerdem sei eine Ausdehnung des Einsatzgebietes nach Westen geplant. Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle dies beim Nato-Gipfel im April in Bukarest verkünden und so die US-Forderung nach einem deutschen Kampfeinsatz im gefährlicheren Süden Afghanistans abwehren. Merkel bekräftige ihr Nein dazu: "Wir haben vor wenigen Monaten ein Mandat für den Einsatz im Bundestag verabschiedet, das bis Oktober gilt und Bestand hat. Daran wird nichts geändert", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". Auch Verteidigungsminister Franz-Josef Jung dementierte. "Solche Pläne gibt es nicht", sagte Jung bei n-tv. Grundsätzlich ließ er eine Aufstockung der Truppen jedoch offen. Laut Mandat kann Jung bis zu 3500 Soldaten nach Afghanistan schicken.

Mandat wird langsam eng

Mit derzeit 3300 Soldaten am Hindukusch manövriert die Bundeswehr allerdings schon heute knapp unter der Mandatsgrenze. Zudem sagte Deutschland unter dem Druck der Nato-Partner und vor allem der USA erst vor einigen Tagen zu, im Sommer einen Kampfverband mit etwa 200 Soldaten in den Norden des Landes zu entsenden. Noch einmal so viele Soldaten sollen nach einem ARD-Bericht künftig den Schutz des Feldlagers Kundus verstärken, das zuletzt häufig Ziel von Raketenangriffen war. Damit könnte eine Erhöhung des Mandats zum Herbst durchaus Thema werden.

Mandatsdebatte im Wahlkampf

Streit gibt es über die Frage, ob das Mandat wegen der im Herbst 2009 anstehenden Bundestagswahl ausnahmsweise eine längere Laufzeit als ein Jahr bekommen soll. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb in der ARD dafür, die Mandatsdebatte aus dem Wahlkampf herauszuhalten. "Es drängt sich ja fast auf", sagte er in München. Der Beschluss müsse aber vom Bundestag gefällt werden, nicht von der Regierung.

Widerstand kam von den Grünen: Die Regierung müsse der Bevölkerung den Einsatz plausibel machen und dürfe sich nicht mit einer längeren Laufzeit über den Wahlkampf hinwegretten, sagte Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei. Der außenpolitische Sprecher Jürgen Trittin sagte in der ARD, es sei feige, wenn Bundesregierung und Koalitionsfraktionen das Mandat um 15 oder 16 Monate verlängern wollten, um eine Debatte darüber im Bundestagswahlkampf 2009 zu vermeiden.

Deutschland reagiert zu empfindlich

Gates verwahrte sich bei dem Treffen in München gegen den Vorwurf, im Streit über den Afghanistan-Einsatz stets Deutschland an den Pranger zu stellen. "Ich habe überhaupt nicht mit dem Finger auf Deutschland gezeigt. Mein Eindruck ist allerdings, dass Deutschland sehr empfindlich reagiert hat", sagte er mit Blick auf einen Brief, in dem er die Nato-Partner um mehr Hilfe in Afghanistan gebeten hatte. Nach den scharfen Attacken der Vortage schlug Gates in München einen milderen Ton an, beharrte aber auf seiner Position.

Neben den USA tragen Großbritannien, Kanada und die Niederlande die Hauptlast der Kämpfe am Hindukusch.

Ischinger für Teltschik

Der deutsche Botschafter in Großbritannien und ehemalige Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Ischinger (61) soll nach Informationen der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" neuer Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz werden. Der Diplomat tritt den Angaben zufolge mit der 45. Konferenz im Jahr 2009 die Nachfolge Horst Teltschiks an, der nach zehn Jahren die Leitung der Konferenz abgibt. Teltschik hatte die Leitung der 1962 als "Wehrkundetagung" begründeten Konferenz 1999 von deren Gründer Ewald von Kleist übernommen.

Quelle: ntv.de

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