Politik

Doppelte Niederlage für die NPD Gauck darf Spinner "Spinner" nennen

Wenn Joachim Gauck NPD-Anhänger als "Spinner" bezeichnet, dann tut er damit nichts Verbotenes.

Wenn Joachim Gauck NPD-Anhänger als "Spinner" bezeichnet, dann tut er damit nichts Verbotenes.

(Foto: dpa)

Nein, der Bundespräsident darf nicht einfach so Menschen als "Spinner" bezeichnen. Aber bei Menschen, die "rechtsradikale Überzeugungen vertreten", ist das Wort angemessen, urteilt das Verfassungsgericht. Die NPD erleidet noch eine weitere Niederlage.

Der Bundespräsident kann selbst entscheiden, wie er seine Aufgabe ausfüllt und damit darf er auch die Anhänger der NPD als "Spinner" bezeichnen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Ihm sei nur verboten, "willkürlich" Partei zu ergreifen und dabei seine Integrationsaufgabe zu vernachlässigen.

Geklagt hatte die NPD, weil sich Bundespräsident Joachim Gauck im August 2013 gegen ausländerfeindliche Proteste positioniert hatte. Wochenlang hatten Rechte mit Unterstützung der NPD gegen ein Asylbewerberheim in Berlin protestiert. Gauck sagte in diesem Zusammengang vor mehreren hundert Schülern: "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen". Er fügte hinzu: "Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen." Zum laufenden NPD-Verbotsverfahren befragt, sagte Gauck unter anderem: "Wir können die Partei verbieten, aber die Spinner und die Ideologen und die Fanatiker, die haben wir dann nicht aus der Welt geschafft."

Aus Sicht der NPD bewegten sich diese Äußerungen "in Richtung Schmähkritik", außerdem sah sie sich kurz vor der Bundestagswahl angegriffen und verunglimpft.

Wie das Bundesverfassungsgericht nun entschied, verletzte Gauck mit diesen Äußerungen aber nicht die Rechte der NPD auf Wahrung der Chancengleichheit der Parteien im Wahlkampf. Der Bundespräsident könne den Erwartungen an sein Amt nur gerecht werden, wenn er "auf gesellschaftliche Entwicklungen" eingehen könne und bei der Wahl der "angemessenen Kommunikationsform" frei sei. Er brauche jedenfalls "keine besondere gesetzliche Ermächtigung", um auf Gefahren hinzuweisen oder deren Verursacher zu benennen. Deshalb hätten Gerichte auch nicht zu überprüfen, ob sich der Bundespräsident bei seinen Äußerungen am Leitbild eines "neutralen Bundespräsidenten" orientiert.

"Die Geschichte nicht verstanden"

Allerdings müsse auch der Bundespräsident das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit beachten. Es sei aber ausreichend, seine Äußerungen daraufhin zu überprüfen, ob er mit ihnen "willkürlich Partei ergriffen hat". Zwar kann laut Gericht die Verwendung des Wortes "Spinner" isoliert betrachtet diffamierend sein. Gauck habe es aber als Sammelbegriff für Menschen benutzt, "die die Geschichte nicht verstanden haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale Überzeugungen vertreten".

Wie weit das Staatsoberhaupt in Reden, Interviews und Gesprächen gehen darf, ist im Grundgesetz nicht richtig geregelt. Gauck ist nun das erste Staatsoberhaupt, das wegen seiner Wortwahl verklagt wurde. Die Entscheidung ist daher auch für künftige Präsidenten von Bedeutung.

Gauck begrüßte das Urteil. "Der Bundespräsident ist dankbar für die Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts", sagte Staatssekretär David Gill nach einem Telefonat mit Gauck. Das Urteil habe dessen Auffassung bestätigt, dass er mit seinen Äußerungen die Rechte der NPD nicht verletzt habe. Der Richterspruch habe Bedeutung über den Fall hinaus.

Noch eine Niederlage für die NPD

Das Verfassungsgericht entschied außerdem, dass die Wahlen der Bundespräsidenten 2009 und 2010 verfassungskonform waren. 2009 war Horst Köhler gewählt worden, 2010 Christian Wulff. Auch in diesen Fällen hatte die NPD geklagt, weil sie durchsetzen wollte, dass sich ihr Kandidat in der Bundesversammlung vorstellen darf. Doch da die Wahl des Bundespräsidenten laut Grundgesetz ohne Aussprache stattfinde, seien die Mitglieder der Bundesversammlung nicht zu einer Personal- oder Sachdebatte über oder mit dem Kandidaten berechtigt, urteilte nun das Gericht.

Die Bundesversammlung besteht aus den Abgeordneten des Bundestages und der gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Länderparlamenten entsandt werden. Sie sei "ein reines Kreationsorgan", also ein Gremium, das ein anderes Staatsorgan schafft, heißt es in dem Urteil. Zur Bestimmung der Rechte der Mitglieder der Bundesversammlung könne nicht auf die Rede- oder Antragsrechte der Bundestagsabgeordneten zurückgegriffen werden. Denn in der Bundesversammlung sei "anders als im Bundestag der Gang der Geschäfte weitgehend vorbestimmt". Es komme "allein auf die Sichtbarkeit des Wahlaktes in seiner realen und symbolischen Dimension an". Eine öffentliche Debatte sei gerade nicht vorgesehen. "Das Ausspracheverbot schützt die Würde des Wahlakts, der dem parteipolitischen Streit enthoben sein soll."

Quelle: ntv.de, che/dpa/AFP/rts

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