17. Juni 1953 Gedenken an die Opfer
17.06.2008, 07:07 UhrVertreter der Bundesregierung und Berlins haben an die Opfer des Aufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 erinnert. Zum 55. Jahrestag legten Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf einem Friedhof Kränze nieder. Beide Politiker mahnten, Demokratie und Freiheit nicht als selbstverständlich anzusehen, sondern sich für sie einzusetzen. "Wir müssen um diese Fundamente unseres Gemeinwesens kämpfen", sagte Jung.
Demokratie gegen Feinde verteidigen
Vor rund 100 Vertretern der Opferverbände, des Bundestages, des Berliner Abgeordnetenhauses und der Parteien sagte Jung: "Der Jahrestag darf nicht zu einem Pflichttermin werden." Man sei es den Opfern schuldig, die Erinnerung wach zu halten. Der 17. Juni 1953 gehöre zu den historischen Daten, die "unmissverständlich deutlich machen, was die DDR wirklich war: eine Diktatur und ein Unrechtsstaat". Wowereit sagte: "Es ist unsere Verpflichtung, sorgsam mit unserer Demokratie umzugehen, sie mit Leben zu erfüllen und gegen ihre Feinde zu verteidigen."
Bei der Niederschlagung der Proteste gegen das SED-Regime am 17. Juni 1953 wurden mehr als 100 Menschen von der sowjetischen Armee und der Volkspolizei der DDR getötet. Etwa 1.600 Aufständische wurden eingesperrt.
Thierse will Gedenkplatz in Berlin
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, einen Platz nach dem historischen Datum zu benennen. "Einen Platz in 'Platz des 17. Juni' umzubenennen, halte ich nicht für falsch", sagte Thierse der "Märkischen Oderzeitung". Es sei "sinnvoll, dieses Gedenken zu lokalisieren", zumal die Zeitzeugen langsam ausstürben. "Das Datum dürfen wir nicht aus unserem Gedächtnis löschen", bekräftigte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler. Gedenkverbände wie die "Vereinigung 17. Juni 1953" fordern, den Platz vor dem heutigen Bundesfinanzministerium in Berlin entsprechend umzubenennen. Dort, vor dem ehemaligen "Haus der Ministerien", hatte sich der Berliner Protest im Jahr 1953 gebündelt.
"Stärkeres Engagement nötig"
Die Erinnerung an den Volksaufstand verdient nach Auffassung des früheren DDR-Oppositionellen Rainer Eppelmann mehr Aufmerksamkeit. Der heutige Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sagte, der 17. Juni gehöre zu den zentralen Daten der jüngeren deutschen Geschichte. "Ich würde mir wünschen, dass man ihn zu einem öffentlichen Gedenktag macht." Das müsse kein Nationalfeiertag sein. Aber es ein stärkeres Engagement nötig, damit die Bürger am 17. Juni "tatsächlich daran denken".
Mehr als 100 Tote
Bis zu eine Million Menschen hatten 1953 in der DDR gegen die SED-Diktatur protestiert. Mehr als 100 Menschen kamen bei der Niederschlagung des Aufstandes am 17. Juni ums Leben, etwa 1.600 wurden zu Haftstrafen verurteilt. In mehr als 700 Orten waren damals die Menschen in der DDR auf der Straße, um gegen die Diktatur zu protestieren. Die Regierung hatte sich bereits unter den Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht gestellt. Erst danach rollten die Panzer der UdSSR, und Soldaten schlugen den Aufstand gewaltsam nieder. Bis zur Wiedervereinigung 1990 wurde in Westdeutschland alljährlich mit dem "Tag der Deutschen Einheit" des Aufstandes und seiner Folgen gedacht.
"Eigentlich schon ein Sieg"
Lange habe man beim 17. Juni 1953 nur an ein paar hundert streikende Bauarbeiter in der früheren Stalinallee in Ostberlin gedacht, sagte Eppelmann. "Doch es war ein Volksaufstand und es war eigentlich auch schon ein Sieg." Dessen sei man sich jedoch bis vor zehn Jahren weder in Ost- noch Westdeutschland bewusst gewesen.
Der CDU-Politiker mahnte, in der Erinnerungsarbeit auch schmerzhafte Erfahrungen nicht zu vergessen. Die friedlichen Demonstrationen von rund zwei Millionen DDR-Bürgern und der Fall der Berliner Mauer im Herbst 1989 ließen sich nur erklären, wenn man sich auf die Niederschlagung des Aufstands am 17. Juni 1953 und den Beginn des Mauerbaus am 13. August 1961 beziehe.
"17. Juni in den Lehrplan"
In den vergangenen Jahren habe sich das Wissen über die Ereignisse des 17. Juni wieder verbreitet, sagte Eppelmann. Vor allem im Jahr 2003, beim 50. Jahrestag des Volksaufstands, sei ein Durchbruch in der öffentlichen Wahrnehmung auch durch viele Kino- und Fernsehfilme gelungen. "Wir dürfen aber nicht satt und zufrieden sein", warnte der frühere Pfarrer. Ganz wichtig sei, dass überall dort, wo unterrichtet werde - also an Schulen und Hochschulen - der 17. Juni in den Lehrplan aufgenommen werde.
Quelle: ntv.de