Energie für Europa Gegen Konzerne und Klimawandel
10.01.2007, 13:35 UhrIm Kampf gegen den Klimawandel will sich die Europäische Union an die Spitze der Bewegung stellen. Zugleich plant die EU-Kommission, die Marktmacht großer Versorger drastisch zu beschneiden. Davon verspricht sich die Behörde sinkende Strompreise für die Verbraucher. Zudem soll die Versorgungssicherheit erhöht werden. Auch dafür setzt die EU-Kommission auf mehr erneuerbare Energien.
Die Kommission beschloss am Mittwoch die bislang umfassendsten Vorschläge für die künftige Energieversorgung der Gemeinschaft. Ihr "Aktionsplan" soll im März von den Staats- und Regierungschefs der 27 Staaten beraten und ggf. beschlossen werden. Allerdings ist noch umstritten, wie ehrgeizig die Klimaschutzziele sein sollen und wie streng gegen große Energiekonzerne vorgegangen wird.
Der Bericht der EU-Kommission unterstreicht, dass beim Klimaschutz rasches Handeln dringend geboten ist. Die Chance, dass noch in diesem Jahrhundert die Erwärmung weltweit um mehr als fünf Grad steige, betrage mehr als 50 Prozent.
Zerschlagung der Stromkonzerne
Trotz des Widerstands aus Deutschland und Frankreich setzt sich Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso für eine Aufspaltung der Energieriesen ein. Ohne die eigentumsrechtliche Trennung von Vertrieb und Stromerzeugung werde es den nötigen Wettbewerb nicht geben. "Wir haben eine klare Präferenz für eine Trennung", sagte Barroso. Die Kommission erkenne aber an, dass auch Alternativen denkbar seien.
Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag der EU-Kommission strikt ab. Eine rechtliche Trennung von Stromerzeugung und Netzbetrieb sei nicht notwendig, entscheidend sei eine wirkungsvolle Regulierung, sagte der im Bundeswirtschaftsministerium für Energiepolitik zuständige Staatssekretär Joachim Wuermeling. Die Stromnetze seien immer Monopole, "egal, ob in der Hand von RWE, Gazprom, des Staates oder einem Hedge-Fonds". Der Bund halte den privatwirtschaftlichen Netzbetrieb für die preisgünstigste und effizienteste Lösung. Wichtig sei, dass der Staat für Wettbewerb und einen diskriminierungsfreien Zugang sorge.
Der E.ON-Konzern sieht in den Vorschlägen der EU-Kommission einen Schritt zur Enteignung der Aktionäre. Eine Trennung von Netz- und Versorgungsgeschäft würde den Wettbewerb nicht verbessern, sagte ein Unternehmenssprecher. "Zu radikale Eingriffe würden im Ergebnis zu weniger Wettbewerb führen und letztlich die Versorgungssicherheit gefährden."
Der faire Netzzugang lässt sich nach Auffassung der Bundesnetzagentur sich auch gewährleisten, ohne dass die Unternehmen das Eigentum abgeben müssen. "Wir benötigen eben strikte und konsequente Zugangsregeln, gepaart mit einer funktionierenden Missbrauchsaufsicht", sagte Präsident Matthias Kurth dem "Handelsblatt". Es sei auch zu prüfen, ob die bereits eingeleitete Entflechtung, die Ausgliederung der Netztöchter in rechtlich eigenständige Firmen, nicht schon ausreiche. Speziell in Deutschland, wo es 900 Strom- und 700 Gasnetzbetreiber gibt, hält Kurth den Vorschlag der EU-Kommission auch nicht für praktikabel.
"Europa muss die Welt führen"
Bis zum Jahr 2020 will die EU-Kommission die klimaschädlichen Treibhausgase um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 senken. Sollten andere große Industriestaaten sich dieser Verpflichtung anschließen, wäre die EU sogar zu einer Senkung um 30 Prozent bereit. Klimaschützer kritisierten dies allerdings als noch immer unzureichend.
"Europa muss die Welt in eine neue, nach-industrielle Revolution führen", sagte Barroso. "Es geht um eine kohlenstoffarme Wirtschaft." Die Reduzierung der Treibhausgase soll von einer Einsparung des Primär-Energieverbrauchs um 20 Prozent bis 2020 begleitet werden. Zugleich soll der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Gesamterzeugung bis 2020 auf 20 Prozent steigen. Bis zum Jahr 2010 wird er nach derzeitigen Schätzungen EU-weit noch unter der 10-Prozent-Marke bleiben.
Ziel aller Bemühungen ist es, den weltweiten Temperaturanstieg zu begrenzen. Mit dem "Aktionsplan" werden dem Kommissionsvorschlag zufolge für Geräte, Dienstleistungen und Gebäude Mindestanforderungen der Energieeffizienz vorgeschrieben.
Keine Positionierung zur Atomkraft
Anders als zuvor berichtet will die EU-Kommission im Streit um den Ausstieg oder den "Ausstieg aus dem Ausstieg" aus der Atomenergie keine Stellung beziehen. "Das ist eine Frage, die die öffentliche Meinung in einigen EU-Staaten sehr polarisiert", sagte Barroso. "Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie die Atomenergie wollen oder nicht. Es ist nicht Aufgabe der Kommission, den Staaten zu sagen, ob sie mehr oder weniger oder gar kein Atom in ihrem Energie-Mix haben sollen."
Derzeit gibt es 152 Atomkraftwerke in den 27 EU-Staaten. EU-weit werden derzeit 31 Prozent der Elektrizitätsproduktion und 28 Prozent der gesamten EU-Energieproduktion aus Atomkraft gedeckt. In der Mitteilung der EU-Kommission heißt es, wenn dieser Anteil durch die geplante Ausstiegs-Politik mehrerer EU-Länder in den kommenden Jahren deutlich verringert werde, so müssten Entscheidungen über neue Investitionen in saubere Energieproduktion "oder die Verlängerung der Lebensdauer einzelner Atomkraftwerke" getroffen werden.
Quelle: ntv.de