Politik

Interview mit Jan Korte "Geheimdienstunwesen aus dem Ruder gelaufen"

"Seit Beginn der Bundesrepublik haben die jeweiligen Bundesregierungen immer alles daran gesetzt, das Geheime zu schützen und Transparenz zu verhindern", sagt Linken-Fraktionsvize Jan Korte. Die Bundesregierung müsse das "Geheimdienstunwesen" endlich reformieren.

n-tv.de: Wie "neu" sind die Veröffentlichungen der "Süddeutschen Zeitung" und des NDR zur deutschen Rolle im "Krieg gegen den Terror"?

Jan Korte ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag und Mitglied im Innenausschuss.

Jan Korte ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag und Mitglied im Innenausschuss.

(Foto: TRIALON / Thomas Kläber)

Jan Korte: Nun ja, noch ist ja nur ein Bruchteil dessen bekannt, was SZ und NDR in den nächsten Wochen enthüllen wollen. Einiges kannte oder ahnte man, anderes ist mit Sicherheit neu. Und in dieser umfassenden Recherche, die ein Bild ergibt vom geheimen Krieg der USA, der hierzulande geführt wird, gab es das noch nie. Insofern ist das Material hoch brisant. Wenn die Vorwürfe zutreffen, dass Deutschland zum Beispiel beim Drohnenkrieg in Somalia offenbar in vielerlei Hinsicht eine zentrale Rolle spielt oder dass US-Dienste auf deutschen Flughäfen Verdächtige festnehmen, wäre das schon schockierend und müsste Konsequenzen haben.

Vorausgesetzt, die Berichte treffen zu: Was läuft hier falsch?

Eigentlich alles und das von Anfang an. Seit Beginn der Bundesrepublik haben die jeweiligen Bundesregierungen immer alles daran gesetzt, das Geheime zu schützen und Transparenz zu verhindern. Die Snowden-Enthüllungen seit Juni dieses Jahres hätten die Chance auf eine Kehrtwende geboten. Passiert ist nichts. Selbst als bekannt wurde, dass das Handy der Bundeskanzlerin abgehört wurde gab es zwar viel Wind, aber nichts Substantielles. Was muss eigentlich noch alles ans Tageslicht kommen, bis endlich eine Aufklärungsoffensive der Bundesregierung gestartet wird? Wann wenn nicht jetzt will die Bundesregierung um Himmels Willen denn endlich damit beginnen das gesamte aus dem Ruder gelaufene Geheimdienstunwesen zu reformieren?

Sie sehen die NSA-Affäre damit auch als deutschen Skandal?

Der eigentliche und tatsächlich demokratiegefährdende Skandal ist doch, dass Journalisten mehr und mehr die Aufklärungsarbeit machen müssen, die die Bundesregierung und ihre Behörden offensichtlich systematisch verweigern. Weder den Abgeordneten noch - und das ist viel schwerwiegender - der verunsicherten Öffentlichkeit wurde bislang auch nur im Ansatz erklärt, was die in- und ausländischen Geheimdienste auf welcher Rechtsgrundlage treiben und wie die Regierung die Bürgerinnen und Bürger davor künftig schützen will.

Haben die Bundestagsabgeordneten beziehungsweise die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums überhaupt ausreichend Einblick in die Arbeit der deutschen Geheimdienste?

Streng genommen weiß niemand wirklich, was im PKGr passiert, außer den Mitgliedern. Und die dürfen darüber nichts sagen. Das ist ja das Problem: Parlamentarische Kontrollgremien können - trotz einer verantwortungsbewussten Arbeit der Opposition in diesen Gremien - nur extrem eingeschränkte Kontrolle leisten. Mal davon abgesehen, dass die Dienste den Abgeordneten doch eh nur das mitteilen was sie mitteilen wollen. Generell gilt: Geheimdienstapparate mit 10.000 Mitarbeitern lassen sich mit 11 Parlamentariern, die sich einmal im Monat für maximal drei Stunden treffen, nicht mal im Ansatz ernsthaft kontrollieren. Das Ganze ist doch ein schlechter Witz. Im Falle der Aktivitäten von NSA muss man davon ausgehen, dass das PKGr entweder keine Ahnung davon hatte oder davon wusste und mehrheitlich kein Problem damit hat. Beides wäre bezeichnend und für die Demokratie desaströs!

Mit Jan Korte sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen