Offener Streit um Laufzeit Geheimer AKW-Gipfel zwischen Lindner und Habeck gescheitert
13.10.2022, 14:07 Uhr (aktualisiert)
Kanzler Scholz (m.) konnte zwischen Lindner (r.) und Habeck (l.) - alle drei hier bei einer früheren Kabinettssitzung - keine Einigung erzielen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bereits zwei Mal hat die Ampel das Gesetz zur längeren Laufzeit von Atommeilern nicht durch das Kabinett bekommen. Grüne und FDP tragen dazu einen Streit auf offener Bühne aus. Im Raum steht der Vorwurf des Wortbruchs. Ein Vermittlungsversuch von Kanzler Scholz bringt keinen Durchbruch.
In der Ampel-Koalition ist der Streit um den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken neu entbrannt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderte die FDP auf, die Vereinbarung einzuhalten, nur zwei AKW nach dem Jahresende für begrenzte Zeit in Reserve zu halten. Die FDP bekräftigte dagegen ihre Forderung nach einem mehrjährigen Weiterbetrieb aller drei noch am Netz befindlichen AKW. Ein von Kanzler Olaf Scholz angesetztes Schlichtungstreffen zwischen Habeck und Lindner im Kanzleramt endete am Mittag nach ntv-Informationen ohne Einigung.
"Die Zeit drängt", sagte Habeck dem "Spiegel". "Wenn man will, dass die Atomkraftwerke nach dem 31. Dezember noch Strom produzieren können, muss man jetzt den Weg dafür frei machen." Es habe innerhalb der Regierung "die feste Absprache" gegeben, den Weiterbetrieb der beiden AKW sicherzustellen. "Man kann nicht längere Laufzeiten wollen und gleichzeitig verhindern, dass die Atomkraftwerke laufen können." Genau das aber passiere gerade, sagte er mit Blick auf FDP-Chef Christan Lindner und die Liberalen.
Zwei Termine gerissen
Habeck hatte vorgeschlagen, die Nutzung der Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg als Reserve in der Energiekrise bis maximal Mitte April 2023 zu ermöglichen. Dazu müssen das Atom- und das Energiewirtschaftsgesetz geändert werden. Nach jetziger Rechtslage gehen zum Jahresende alle drei noch laufenden deutschen Atomkraftwerke - das dritte ist das Akw Emsland in Niedersachsen - vom Netz.
Der nötige Kabinettsbeschluss war zunächst für vergangenen Mittwoch geplant gewesen, jedoch nicht erfolgt. Daraufhin wurde ein Beschluss für Montag vorbereitet - auch dieser Termin wurde gerissen. Hintergrund ist, dass die FDP alle drei Atomkraftwerke deutlich länger laufen lassen und dafür auch neue Brennstäbe kaufen will.
Ein zügiges Gesetzgebungsverfahren ist nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums insbesondere wegen der Situation im AKW Isar 2 nötig. Dort war ein Ventil-Leck entdeckt worden. Es müsste laut Betreiber noch im Oktober repariert werden, weil der Reaktorkern danach nicht mehr genug Reaktivität hätte, um das AKW noch einmal mit den vorhandenen Brennelementen hochfahren zu können.
FDP: Zeitplan nicht in Gefahr
"Die Berichterstattung über eine angebliche Gefährdung des Zeitplans für einen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken ist falsch", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel. "Der schnellstmögliche Zeitplanvorschlag des Ministeriums für Wirtschaft und Energie sah einen Beschluss im Bundestag in der kommenden Woche vor. Dazu sind die Koalitionsfraktionen bis Anfang kommender Woche jederzeit handlungsfähig und in der Lage." Gleichzeitig verteidigte er erneut die Position seiner Partei, die verbliebenen Atommeiler noch länger am Netz zu lassen als bislang geplant. FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte, die Liberalen im Bundestag seien für die Verlängerung aller noch am Netz befindlichen drei Atomkraftwerke. Die Partei werde nun "weiter in der Ampel-Koalition über eine Lösung beraten".
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge äußerte Unverständnis. Es gebe eine schriftliche Vereinbarung von Habeck, FDP-Chef Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz zu den beiden Reservekraftwerken, sagte sie. "Wenn die FDP diese Einigung jetzt aufkündigt, dann ist das ein Problem." Die FDP wolle den AKW-Betrieb bis 2024 und auch das Kraftwerk Emsland am Netz halten. "Das wird es mit uns nicht geben." Die Grünen halten am Wochenende in Bonn einen Parteitag ab.
"Die Darstellung der Grünen ist falsch", sagte der Sprecher und verwies auf Äußerungen von Parteichef Christian Lindner. "Der FDP-Vorsitzende hat sogar in der Pressekonferenz zum Abwehrschirm öffentlich dargelegt, dass die FDP eine weitergehende Entscheidung der Bundesregierung für erforderlich hält. Eine Einigung in der Sache bestand nicht."
Die SPD mahnte die beiden Koalitonspartner zur Besonnenheit. "Würde keine Novelle kommen, gingen alle Atommeiler zum Ende des Jahres vom Netz", sagte Parlaments-Geschäftsführerin Katja Mast dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz stellte sich hinter die Liberalen. Er hoffe, dass die FDP "stark genug ist", sich in dieser Frage durchzusetzen. Die Unionsfraktion will die drei verbliebenen AKW gleichfalls bis maximal Ende 2024 laufen lassen.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 11. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa/rts