Politik

Ausweg für Hessen Gelb-Grün!

Andrea Ypsilanti ist gescheitert, ihr vermeidlicher Ausweg - scharf links - aus dem hessischen Patt führte direkt ins Abseits. Aber nicht nur sie, ganz Hessen steht vor dem Scherbenhaufen. Durch den ihren erzwungen Rücktritt vom Antritt mag sich die gefühlte Wahlsiegerin ein Simonis'sches Schicksal erspart haben. Vielleicht hat sie sich sogar vorerst selbst aus der Schusslinie genommen. Der hessische Politkarren freilich steckt jetzt noch fester als vorher.

Für Roland Koch ist das kein Grund zum Jubel. Er wird zwar wohl zunächst als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt bleiben. Ob er damit aber viel Spaß haben wird, wenn er eine Abstimmungsniederlage nach der anderen einsteckt, darf bezweifelt werden. Mit der Abschaffung von Studiengebühren hat die Mehrheit von SPD, Grünen und Linken auf jeden Fall schon einmal ein Thema mit dem sie Koch düpieren können - und dabei sogar ein (gemeinsames) Wahlversprechen einlösen und nicht brechen würden.

Der einzig verbleibende Ausweg aus der vertrackten Lage liegt im Rückzug von Koch und Ypsilanti. Ohne Koch könnten die Grünen ihrer Anhängerschaft jamaikanische Abenteuer gerade noch erklären. Mit Ypsilanti als Opfer auf dem Alter allseits beschworener "staatsbürgerlicher Verantwortung" könnte wohl auch die Westerwellisch eiserne FDP weich werden.

Den Schlüssel dazu haben die beiden kleinen Parteien selbst in der Hand. Denn weder Fast-Ministerpräsidentin Ypsilanti noch der scheinbar selbsthaftende Noch-Landesvater Koch werden freiwillig von der Macht(option) lassen. Das können FDP und Grüne nur erzwingen. Und das nur gemeinsam!

Zuallererst müssen sich dazu Grüne und Gelbe eingestehen, dass sie die eigentlichen Wahlgewinner sind. Alle wollen mit ihnen, eine große Koalition will keiner. Wenn FDP und Grüne sie auch nicht wollen, müssen sie miteinander regieren. So oder so. Und da die Grünen nicht mit Koch und die Liberalen nicht mit Ypsilanti sprechen wollen, müssen sie eben zuerst FDP und Grüne miteinander sprechen. Zugegeben: Das wäre ein - gelinde gesagt - ungewöhnlicher Schritt. Schließlich sondieren normalerweise die großen Parteien mit den kleinen. Aber dies sind ungewöhnliche Zeiten.

Für FDP und Grüne könnte diese ungewöhnliche Maßnahme dabei auch inhaltliche Vorteile bieten. Ist man sich erst einmal untereinander einig, fällt es leichter, dem "Großen" - wer auch immer das sein mag - Zugeständnisse abzuringen. Überlassen sie die Initiative CDU oder SPD, laufen FDP und Grüne in jeder Dreierkonstellation immer Gefahr, gegeneinander ausgespielt zu werden.

Ohnehin haben die beiden kleinen Parteien viel mehr gemeinsam als sie sich in ihrem erbitterten Kampf um das im Endeffekt gleiche liberale Milieu öffentlich zubilligen. Wirtschaftspolitisch sind die Grünen in großen Teilen längst wesentlich moderner als die im Hartz-IV-Rückzugsgefecht festgefahrene SPD. Und gesellschaftspolitisch hat die von einem (mittlerweile) offen in einer "alternativen Lebensform" lebenden Vorsitzenden geführte FDP mit den Grünen auch weit mehr gemein als mit der Heimchen-am-Herd-CDU eines Roland Koch. Vom gemeinsamen Bürgerrechtsbewahrungskampf gegen den Schäuble-Schily-Überwachungsstaat ganz zu schweigen.

Höchste Zeit also, dass sie beiden - in Personal wie Wählerschaft - in Wahrheit "bürgerlichsten" aller Parteien ihr Kriegsbeil begraben und ihrer "staatsbürgerlichen Verantwortung" nachkommen. Nur sie können - gemeinsam - eine tragfähige Regierung bilden. Nur sie können bestimmen, wer "unter ihnen" Ministerpräsident wird.

Zumal auch Neuwahlen mitnichten ein "besseres" Ergebnis garantieren - außer dass sich vielleicht alle Parteien mit großen Niemals-Nicht-Versprechen zurückhalten.

Bis dahin ist der Ball aber in jedem Fall bei FDP und Grünen.

Quelle: ntv.de, Der Autor ist freier Journalist und Berater für politische Kommunikation.

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