Neuer Bürgerkrieg droht Georgischer Waffenstillstand
07.08.2008, 13:14 UhrDer georgische Präsident Michail Saakaschwili hat seinen Truppen nach der jüngsten Gewalteskalation in der abtrünnigen Region Südossetien den Waffenstillstand befohlen. Es falle ihm schwer, aber er habe entsprechende Order erlassen, sagte Saakaschwili in einer Fernsehansprache in Tiflis. Georgische Soldaten dürften ab sofort keine Schüsse aus Südossetien erwidern. Es gebe bereits viele Tote und Verletzte, sagte Saakaschwili, der sich erstmals zu Opfern auf georgischer Seite äußerte.
Laut unbestätigten Medienberichten kamen in den vergangenen Tagen 27 Georgier bei den Auseinandersetzungen ums Leben.
"Weitreichende Autonomie"
"Keiner sollte uns als Aggressor hinstellen", sagte Saakaschwili. Russland und die prorussische Führung in Südossetien hatten Georgien "Provokationen und Kriegstreiberei" vorgeworfen. Georgien hingegen hatte Südossetien die Schuld an den schwersten Gefechten seit Jahren gegeben. Saakaschwili bot Russland Gesprächsbereitschaft an. Er erneuerte sein Angebot, Südossetien "weitreichende Autonomie" einzuräumen.
Friedliche Lösung angestrebt
Die Führung in Tiflis betonte, der einseitige Waffenstillstand sei ein Zeichen für Georgiens Bereitschaft, den Konflikt friedlich zu lösen. Bei schweren Feuergefechten waren in der Nacht zum Donnerstag in der Konfliktzone mindestens 20 Menschen verletzt worden, unter ihnen Zivilisten. Die Konfliktparteien hatten angesichts der eskalierenden Gewalt in den vergangenen Tagen wiederholt vor der Gefahr eines neuen Bürgerkrieges gewarnt.
EU schaltet sich ein
Die Europäische Union forderte unterdessen die Kontrahenten zu größtmöglicher Zurückhaltung auf. Sie sollten "jede Eskalation vermeiden und einen direkten Dialog aufnehmen, die einzige Möglichkeit, um die Krise dauerhaft zu lösen", hieß es in einer Erklärung des französischen EU-Ratsvorsitzes.
Tausende Menschen in Sicherheit
Südossetien hatte in den vergangenen Tagen mehrere tausend Menschen in benachbarte russische Regionen in Sicherheit gebracht, unter ihnen hunderte Kinder. In der Region nahe der südossetischen Hauptstadt Zchinwali kamen bei den schwersten Auseinandersetzungen seit 2004 zuletzt mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Georgien hatte zu möglichen Opfern auf seiner Seite bisher geschwiegen.
Lange währender Konflikt
Das von Georgien abtrünnige Südossetien wird von Russland wirtschaftlich unterstützt, obwohl es völkerrechtlich zu Tiflis gehört. Südossetien hatte zu Sowjetzeiten weitgehende Autonomie über die eigene Sprache und Bildung. Der Widerstand georgischer Nationalisten mündete allerdings in einen blutigen Militärkonflikt Anfang der 1990er Jahre. Georgien und Russland schlossen 1992 ein Waffenstillstandsabkommen, in dessen Folge auch die Schaffung einer Gemischten Kontrollkommission mit je 1500 russischen, georgischen und nordossetischen Soldaten vereinbart wurde. Das Abkommen hielt aber nur bis 2004. Im Juli und August 2004 starben Dutzende Menschen bei Gefechten in der Konfliktzone.
Quelle: ntv.de