Bekennervideos gezeigt Gericht arbeitet NSU-Morde auf
24.06.2013, 17:11 Uhr
Zschäpe wird vorgeworfen, dem Trio eine legale Fassade geschaffen und damit die Terrortaten ermöglicht zu haben.
(Foto: dpa)
Jahrelang haben die Angehörigen der mutmaßlichen Opfer des rechtsterroristischen NSU auf Gerechtigkeit gewartet. Nun will das Landesgericht in München aufklären, was genau geschah. Ein wichtiges Beweismittel sind dabei die Bekennervideos des Trios.
Die grausame Realität der Mordanschläge hat den NSU-Prozess in München erreicht: Nach der tagelangen Befragung des Angeklagten Carsten S. hat das Gericht nun damit begonnen, die einzelnen Terroranschläge aufzuarbeiten. Dazu wurden am Vormittag zwei Polizeibeamte vernommen, die nach dem Mord an Abdurrahim Özüdogru im Jahr 2001 ermittelten. Fotos vom Tatort zeigten den 49-Jährigen, wie er mit zwei Kopfschüssen tot in seiner kleinen Änderungsschneiderei liegt.
Nachmittags wurden dann zynische Bekennervideos der Terroristen vorgeführt - das bekannte "Paulchen Panther"-Video und zwei Vorgängerversionen. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe schien es zu vermeiden, auf die Leinwand zu schauen. Die meiste Zeit starrte sie auf ihren Laptop.
Mit aggressiver Musik der Rechtsrock-Band "Noie Werte" unterlegt, zeigen die Terroristen darin Bilder ihrer Opfer, jeweils gefolgt von dem Namen mit dem Zusatz "... ist nun klar wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist". Nach den Bildern der Morde ist Applaus zu hören. Die spätere Version zeigt Fotos der Anschläge eingebettet in Sequenzen aus der Zeichentrickserie "Der rosarote Panther". Dieses Video soll Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Kampfgenossen an verschiedene Medien und Institutionen verschickt haben.
Gab es Verbindungen zur Neonazi-Szene in Dortmund?
Die Bekennervideos sind ein wichtiges Beweismittel in dem Prozess. In der Anklage werden den NSU-Terroristen insgesamt zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge vorgeworfen, außerdem zahlreiche Banküberfälle. Beate Zschäpe wird Mittäterschaft an allen Taten vorgeworfen. Zwar sei sie nicht unmittelbar vor Ort gewesen, jedoch habe sie für die legale Fassade des Trios gesorgt und damit die Terrortaten ermöglicht.
Nebenkläger wollen im Prozess Verbindungen der Rechtsterroristen zur Neonazi-Szene in Dortmund und Kassel prüfen. Es bestünden Anhaltspunkte, dass die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Jahr 2006 auf einem Konzert der rechten Band "Oidoxie" gewesen seien, erklärt Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier in einem Beweisantrag, den er am Montag vor dem Oberlandesgericht München stellte.
Auf dem Konzert hätten die untergetauchten NSU-Mitglieder unter anderem Sebastian S. getroffen, einen Neonazi, der als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig war. Sebastian S. habe wiederum Kontakt zu Robin S. gehabt - jenem Neonazi aus Dortmund, dem Beate Zschäpe aus der Untersuchungshaft einen längeren Brief geschrieben hat. Bliwier beantragte, unter anderem Sebastian S. und Robin S. als Zeugen vernehmen zu lassen. "Es wird bewiesen werden, dass Frau Zschäpe nach wie vor Kontakt in die gewalttätige Neonazi Szene hält", sagte Bliwier.
Keine neue Spur im Fall Kiesewetter
Indes zerstreute sich die angeblich neue Spur zum NSU-Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn. Ein früherer V-Mann-Führer des baden-württembergischen Verfassungsschutzes wies im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages Spekulationen zurück, wonach ihm eine Informantin kurz nach dem Mord Hinweise auf einen Zusammenhang der Tat zur rechten Szene gegeben haben soll.
Kiesewetter war am 25. April 2007 in Heilbronn erschossen worden. Ihr Kollege überlebte den Anschlag damals schwer verletzt. Die Tat soll ebenso auf das Konto der rechtsextremen Terrorzelle NSU gehen wie die Morde an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern.
Zuletzt hatte die Aussage einer früheren Informantin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes für Aufsehen gesorgt. Die Frau mit dem Decknamen "Krokus" hatte angegeben, sie habe kurz nach dem Attentat von Heilbronn erfahren, dass Mitglieder der rechten Szene versucht hätten, den Gesundheitszustand des verletzten Polizisten auszuspähen, um eine mögliche Zeugenaussage des Mannes zu verhindern. Das habe sie auch ihrem Ansprechpartner beim Verfassungsschutz weitergegeben.
Der frühere V-Mann-Führer wies das aber vehement zurück: "Das kann ich mit einem klaren und eindeutigen Nein beantworten", sagte der Mann, der inzwischen im Ruhestand ist. "Das wäre eine so außerordentliche Sache gewesen, auf die ich sofort reagiert hätte." Er habe aber "nicht mal ansatzweise" solche Informationen erhalten. "Krokus" sei eine "völlig unterdurchschnittliche Quelle" gewesen und habe bis auf zwei Kontakte keinen echten Zugang zur Szene gehabt.
Der Mann saß während der Vernehmung hinter einer Sichtschutzwand. Bis zuletzt war offen gewesen, ob die Befragung öffentlich ablaufen würde. Das Land Baden-Württemberg hatte deutliche Bedenken angemeldet und argumentiert, Leib und Leben des Mannes seien in Gefahr. Die Obleute kritisierten das Agieren Baden-Württembergs als absurdes Theater und beklagten, dass der Ex-Verfassungsschützer nicht von der Polizei im Südwesten vernommen worden sei. Dies hätte allen Beteiligten die Befragung im Ausschuss erspart, sagte die SPD-Obfrau Eva Högl.
Quelle: ntv.de, dpa